Kempen Den Papst in die Thomasstadt locken?

Beim Thomas-Tag wurde gestern deutlich, dass sich auch Franziskus mit den Werken des Kempener Mystikers auseinandersetzt.

Foto: Kurt Lübke

Kempen. Sie ist seit fast zehn Jahren Stadtführerin in Kempen und am Sonntag widmete sich Tina Hirop zum ersten Mal dem berühmtesten Sohn der Stadt: Thomas von Kempen. Rund zwei Dutzend Menschen nahmen anlässlich des 545. Todestages des Mystikers an dieser einstündigen Führung teil. Der Stadtrundgang gehörte zum Programm des Thomas-Tages.

Foto: Lübke

Längst nicht alles, was man über Thomas von Kempen zu wissen glaubt, ist hieb- und stichfest. Das geht schon mit seinem Geburtsjahr los: Wurde er nun 1379 oder 1380 geboren? Immerhin wurde im 19. Jahrhundert eine Urkunde gefunden — sie stammt aus dem Jahr 1402. Darin erklären Thomas und sein Bruder ihren Verzicht auf das elterliche Anwesen.

Das war gestern übrigens die zweite Station im Rahmen der Führung: Die Familie Kaiser wartete schon auf die Besucher An St. Marien 12 — in Sechsergruppen ging es ins Untergeschoss, wo der alte Brunnen zu sehen ist, der mit dem Geburtshaus in Verbindung gebracht wird. Zuvor hatte Tina Hirop am wenige Meter entfernten Thomas-Denkmal von 1901, das die beiden Weltkriege unbeschadet überstanden hatte, aus „Die Nachfolge Christi“ gelesen. Das ist das bekannteste Werk des Mönches.

Ein Kernsatz bringt zum Ausdruck, dass es wichtig sei, dass jeder Mensch den Frieden in sich trage — es ist ein höchst bemerkenswerter und aktueller Satz in Zeiten des Terrors und der gegenwärtigen kriegerischen Auseinandersetzungen.

In der Pfarrkirche herrschte andächtiges Schweigen vor dem gut 800 Jahre alten Taufstein: „Es kann sein, dass Thomas hier getauft wurde“, gab Tina Hirop (50) zu verstehen. Eine enge Wendeltreppe hoch, und schon waren die Teilnehmer der Führung in der 1993 eingerichteten Thomas-Kapelle.

Papst Johannes Paul II. hatte einst im Rahmen seines Besuchs in Kevelaer den Gläubigen empfohlen, die Schriften von Thomas von Kempen zu studieren. „Auch der aktuelle Papst ist dem Mann, der der stille Reformator vom Niederrhein genannt wird, sehr zugetan“, sagte Tina Hirop. Ihr kühner Vorschlag: „Warum sollten wir ihn nicht mal nach Kempen einladen? Papst Franziskus ist ja auch ein bisschen anders.“ Sich selbst nicht so wichtig nehmen, auf den Spuren Jesu zu gehen, bescheiden zu leben — diese Forderungen von Thomas von Kempen passen auch zum aktuellen Papst, könnten auch von ihm stammen. Was Stadtführerin Hirop hervorhob: „Zunehmend finden Thomas von Kempen auch junge Leute interessant.“

Der erste Thomas-Verein in Kempen war 1836 gegründet worden, er wurde von der Thomas-Stiftung abgelöst. Auch das erfuhren die Teilnehmer des Rundgangs. Später gründeten Heinrich und Christine Kiefer eine neue Stiftung. Der heutige Thomas-Verein, der den jährlichen Thomas-Tag veranstaltet, ist 1993 gegründet worden.

Eine Geschichte, die sich um den großen Sohn der Stadt rankt, wollte die Stadtführerin den Teilnehmern nicht vorenthalten: „Auf der Peterstraße gab es früher die Gaststätte ,Zum Thomas von Kempen’“, erklärte Hirop. „Der Wirt hatte ein altes Bett als die Geburtsstätte von Thomas von Kempen ausgegeben. Die Folge: Viele Gäste brachen ein Stück Holz, also eine kleine Reliquie, aus diesem Möbelstück, von dem bald nicht mehr viel übrig war.“