„Es wird sich zurechtruckeln“
Zugverkehr: Die neue Nordwestbahn stößt bei den Kempenern auf geteilte Meinung.
Kempen. Die Vorfreude war groß, die Ernüchterung ist es ebenso: Die Nordwestbahn hat die Deutsche Bahn am Niederrhein abgelöst. Von außen stoßen die neuen blauen Lint-Triebwagen auf Bewunderung, doch die inneren Werte begeistern die Kempener nur wenig.
"Leider gibt es noch zu viele Vierer-Sitzplätze, bei denen sich Fahrgäste mit Größen über 1,80 Metern regelmäßig mit den Knien ins Gehege kommen", klagt Jörg Wiemhoff. Teilweise seien die Gänge so eng, dass man sich an den seitwärts Sitzenden zu den Ausgängen durchquetschen muss, beschwert sich eine andere Pendlerin. Die neuen Züge wirkten eher wie eine Straßenbahn - vom Regionalzug-Flair keine Spur mehr.
Zudem, so Wiemhoff, sei das Gedränge beim Einsteigen nun noch größer als zuvor, weil es statt drei nur noch zwei Türen pro Triebwagen gibt. "Da stellt sich wieder die Frage, ob Planer und Ausstatter solcher Züge in ihrem Leben jemals selbst Pendler gewesen sind", moniert Wiemhoff.
Auch die immer noch viel zu vollen Züge sorgen bei den Kempenern für Verärgerung. "Wir fahren das, was bestellt wurde", erklärt Katrin Hofmann, Pressesprecherin der Osnabrücker Nordwestbahn GmbH. Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) habe die Kapazität ermittelt und an den neuen Betreiber weitergegeben.
"Wenn das nicht ausreicht, müssen wir uns das angucken", sagt Hofmann vage. Gespräche mit dem VRR seien für die kommenden Wochen angesetzt. Allerdings: Selbst wenn die Passagierzahlen steigen, kann ein vierter Waggon nicht angehängt werden - die Bahnsteige sind dafür zu kurz.
Für mächtigen Ärger, Zugausfälle und Verspätungen hat in dieser Woche ein zwischen Nieukerk und Aldekerk liegen gebliebener Zug gesorgt. Auf Durchsagen warteten die Fahrgäste vergeblich. Schuld seien Kommunikationsprobleme mit dem DB-Service gewesen, der für die Bahnhöfe zuständig sei. "Wir haben das überprüft, damit das nicht wieder passiert", sagt die Nordwestbahn-Sprecherin. "Wir hatten keine Generalprobe. Das war ein Kaltstart für uns", sagt Hofmann. "Es wird sich in den nächsten Tagen schon alles zurechtruckeln."
Ein Großteil der Reisenden scheint diese gelassene Auffassung zu teilen. "Es sind schöne neue Wagen, und vor allem Kamera überwacht, da fühlt man sich gleich sicherer", lobt ein Rentner. Zudem funktioniere die Toilette - auf der Niederrhein-Linie keine Selbstverständlichkeit.
"Meine Züge waren bisher immer pünktlich, und auch sehr sauber", ergänzt Pendlerin Sabine Wenzel-Renner. Und auch der erste Eindruck von Barbara Krumbach ist positiv: "Der große Vorteil der neuen Züge ist, dass es nun zwischen Bahn und Bahnsteig eine Stufe gibt." Nun könne selbst ihre 80-jährige Mutter wieder unbesorgt Zug fahren.