Grefrather Schule an der Dorenburg Zeitzeugen als Hologramm im Klassenraum

Grefrath · Die Schule an der Dorenburg nimmt an einem WDR-Projekt teil, das Erinnerungen aus dem Krieg hautnah präsentiert.

 Zeitzeugen fast zum Anfassen: Ein Projekt des WDR projiziert Zeitzeugen des Krieges in den Klassenraum der Sekundarschule in Grefrath.

Zeitzeugen fast zum Anfassen: Ein Projekt des WDR projiziert Zeitzeugen des Krieges in den Klassenraum der Sekundarschule in Grefrath.

Foto: Ulrike Gerards

Blickt man auf den Bildschirm des Tablets, dann sitzt Vera, Jahrgang 1932, in ihrem Sessel genau zwischen den Tischen des Biologieraums, auf den beigen Fliesen, vor den Bildern von Rotkehlchen, Hirsch und Co., die in dem Fachraum an der Wand hängen. Und sie beginnt zu erzählen. Wie es war. Damals im Krieg. Als ihr Haus bombardiert wurde. Von den Geräuschen der Flugzeuge, diesem schrecklich tiefen Ton. Von der Explosion, bei der ihr Vater getroffen und so schwer verletzt wurde, dass er drei Tage später starb. „Meine Kindheit endete in dieser Nacht.“

Es sind ergreifende Geschichten von Zeitzeugen, die Neuntklässler der Schule an der Dorenburg am Mittwoch in einer besonderen Form präsentiert bekamen. 1933-1945 AR heißt das Projekt des WDR, das Geschichte ins Klassenzimmer holt. AR steht für Augmented Reality, zu deutsch „erweiterte Realität“. Bei dieser Technik wird mit der Kamera von Tablet oder Smartphone der Raum gescannt und die erzählende Person sowie Elemente der Geschichte als Hologramm in die Räume eingeblendet. Da fällt Schnee, Funken sprühen, die Londoner Docks bauen sich rings um auf und der Kölner Dom steht in einer Trümmerlandschaft mitten im Raum.

Neben Vera erscheinen die Flammen der brennenden Häuser nach dem Bombenangriff auf London. Flugzeuge fliegen über sie hinweg. Tolga, Pauline, Melisa, Sara, Hanna, Ronja und Sabine sind in einer Projektgruppe. Sie haben das Thema Zweiter Weltkrieg gerade im Geschichtsunterricht begonnen und finden, dass diese Form der Vermittlung mal ganz anders ist. „Krass“ und „spannend“ finden sie die Schilderungen der Zeitzeugin, die nur mit Glück einen Bombenangriff überlebte.

AR-Technik kommt auch
bei Spielen zum Einsatz

Dramatisch sind auch die Erzählungen von Emma aus dem früheren Leningrad, die sich Jonas, Julian, Dennis und Marc ansehen. Die alte Dame erzählt von einem Jungen, den sie sterben sah, und den Toten, die in weißen Stoff eingewickelt wurden und im Flur des Hauses aufgestellt wurden. Anne aus Köln berichtet von den bedrückenden Momenten im Bunker, in denen man auf den Tod wartete.

Den Schülern ist die AR-Technik aus Spielen durchaus vertraut. Für einige von ihnen ist es eine gute Möglichkeit, Geschichte mal etwas anders zu erfahren.

Lehrerin Ute Wittbusch hatte das Projekt auf der Bildungsmesse Didacta gesehen, die Schule an der Dorenburg beim WDR beworben und den Zuschlag bekommen. Am Mittwoch waren nun Stefanie Vollmann und Luisa Bebenroth von der Redaktion Doku&Digital des WDR nach Grefrath gekommen, um den Schülern die App vorzustellen.

Persönliche Geschichte, wenn Zeitzeugen nicht mehr da sind

Hintergrund ist, dass es in absehbarer Zeit keine Zeitzeugen mehr geben wird, die Schulklassen besuchen können, um von ihren Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg zu berichten. Indem man die persönlichen Geschichten in Form der AR-Erzählungen festhalte, ermögliche man es jüngeren Generationen, weiterhin eine persönliche Berührung mit der Thematik und insbesondere mit den Personen zu bekommen.

Die vierminütigen Videos sollen ein Einstieg sein in eine weitere Beschäftigung mit dem Thema. Die Augmented-Reality-Erzählungen richten sich speziell an Schüler im Unterricht der weiterführenden Schulen. Für die Einbindung der App in den Geschichtsunterricht hat der WDR gemeinsam mit der Redaktion von Planet Schule Arbeitsmaterial in drei Niveaustufen entwickelt.

Die Erzählungen der drei Frauen, die den Zweiten Weltkrieg als Kinder in verschiedenen Städten erlebt haben, unter dem Titel „Kriegskinder – Children of War“ gehören zum ersten Teil. Weitere sollen folgen. Jüngst veröffentlicht ist das AR-Projekt „Meine Freundin Anne Frank“, in dem eine der wohl bekanntesten Geschichten des Zweiten Weltkrieges auf eine völlig neue Weise erzählt wird. Man lernt Anne Frank durch die Augen ihrer beiden engsten Freundinnen kennen: Jacqueline und Hannah sprechen für die, die es nicht mehr können. Sie möchten so erinnern und wachrütteln.