WZ-Serie: Himmelwärts Die Faszination am Fliegen wird bleiben
Grefrath · Die WZ hat die junge Pilotin Anna Hanßen in ihrer Ausbildung begleitet. Zum Abschluss wurde der Autor der Serie zum Passagier.
Jedem Segelflug geht eine ruhige und besonnene Planung voraus, doch im Moment des Starts überschlagen sich die Ereignisse. Gerade erst hat die Flugleitung das Okay für den Start gegeben, und schon fliegt die junge Segelflugpilotin Anna Hanßen (18) von einer Winde gezogen mit 110 km/h über die Flugbahn des Grefrather Niershorst. Diese Abläufe hat sie mittlerweile verinnerlicht. 30 absolvierte Starts im Anschluss an ihre abgeschlossene Piloten-Ausbildung haben sie jetzt aber dazu berechtigt, einen Gast mit an Bord zu nehmen. Für ihren ersten Flug mit einer Begleitung ohne praktische Segelflug-Expertise durfte ich auf dem Rücksitz des Modells „Twin Astir 3“, kurz „Twin“, Platz nehmen.
Kurzfristige Herausforderung durch die Wetterbedingungen
Als ich gegen Mittag am Flugplatz eintreffe, ist die Schülerin, deren Ausbildungsweg die WZ im Rahmen einer Serie begleitet hat, längst mitten im Geschehen. „Um 10 Uhr haben wir uns für ein Briefing im Vereinsheim getroffen“, berichtet sie. Wenig später stellte das Wetter sie und ihre Kollegen vom Luftsportverein Grenzland (LSV) allerdings vor unerwartete Herausforderungen. Hanßen: „Nach dem dritten Start wurde der Wind aus Nordosten so stark, dass wir umziehen mussten.“ Die Vereinsmitglieder richteten kurzerhand eine neue Startposition auf dem Gelände des Niershorst ein.
Hier beginnt die Vorbereitung meines Gastfluges: Ich bekomme einen Rucksack mit Fallschirm überreicht, lege die Gurte an, und erhalte eine Einweisung. „Wenn ich ‚Spring‘ sage, musst du die Gurte lösen, das Fenster aufreißen und springen“, erklärt Hanßen. „Es ist allerdings sehr unwahrscheinlich, dass das passiert.“ Meine Merkliste ist folglich überschaubar; ihre hingegen umfasst die aufmerksame Überprüfung von Funkfrequenz, Brems- und Landeklappen sowie Steuerkuppel.
Alles muss funktionieren, ehe uns die hohe Geschwindigkeit des Starts in die Sitze presst. Flach über dem Boden nimmt das Flugzeug Fahrt auf. Dann steuert die Pilotin innerhalb weniger Sekunden steil gen Himmel und klinkt in rund 220 Metern Höhe aus. Die Platzrunde bietet eine eindrucksvolle, klare Aussicht und führt uns mit Blick auf Oedt in zwei langen Kurven über die umliegenden Felder zurück zur Flugbahn. Kurz vor der Landung ist noch einmal volle Konzentration gefragt, da sich ein Motorflugzeug nähert. Hanßen erkennt die Situation früh, setzt zum Sinkflug an und bringt das Flugzeug souverän auf den Boden.
„Es ist eine Routine, aber die Faszination bleibt“, beurteilt die 18-Jährige ihr Flugerlebnis. Zum Ende ihrer Ausbildungs- sowie Schulzeit hat sie den Entschluss gefasst, parallel zum Studium in Aachen weiter am Niershorst starten zu wollen. Langfristig zieht sie unter anderem eine Weiterbildung im Motorsegelflug in Erwägung und verfolgt mit Interesse das sogenannte „Pilotprojekt“ der Bundespolizei, welches eine Hubschrauber-Ausbildung beinhaltet. Eine beliebte Adresse bei Kollegen ist Friedrichshafen am Bodensee, wo der Flugzeughersteller Airbus Produkte für Verteidigungstechnik und Raumfahrt entwickelt.
Für Hanßen soll das Fliegen aber erst einmal eine Freizeitbeschäftigung bleiben. „Es ist kein typisches Hobby“, sagt sie. „Doch Segelflugplätze gibt es zum Glück fast überall. Ich werde immer eine Möglichkeit finden, zu fliegen.“