Analyse Gülle aus Holland: Warum der Kreis Viersen das Problem nicht lösen kann

Die CDU hat das Thema Gülle-Importe aus den Niederlanden auf die Agenda gesetzt. Mit den derzeitigen gesetzlichen Mitteln können die Behörden dem Problem nicht beikommen.

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Kempen/Kreis Viersen. Aus Sicht von Umweltexperten ist es ein Thema, dessen Dimension den meisten noch nicht bewusst ist: die Nitratbelastung des Grundwassers, deren Auswirkungen wohl erst in Jahrzehnten sichtbar werden. Ein Aspekt der Belastung ist die Verwendung von Gülle in der Landwirtschaft. Und dazu gehören im grenznahen Kreis Viersen Gülle-Importe aus den Niederlanden.

Vor etwa einem Monat war es die CDU, in der viele Landwirte politisch aktiv sind, die auf Missstände im Bereich der Gülle-Importe hingewiesen hat. Die Kreistagsfraktion um ihren Vorsitzenden Peter Fischer aus Kempen sage dem Missbrauch bei der Entsorgung importierter Gülle auf den heimischen Feldern den Kampf an, hieß es in einer Pressemitteilung. Nach Angaben der CDU gibt es „im Kreis Viersen geschaffene Systeme, die eine Aufbringung von Importgülle begünstigen und unterstützen“. Mittendrin soll ein Unternehmen aus Kempen sein.

Eine Handhabe gegen das von der CDU geschilderte System haben die Behörden nicht wirklich. Zumal sich dieses System nach Angaben von Experten aus der Branche auch nicht im Bereich der Illegalität befindet. Bei den Kontrollen zwischen den Niederlanden, wo die Fahrzeuge per GPS verfolgt werden, und Deutschland, gebe es „Schwund“, heißt es. Es sei teilweise nicht nachvollziehbar, wo die Importeure die Gülle aus Holland in den deutschen Boden ablassen.

Der Kreis Viersen besitzt nach eigenen Angaben keine Zuständigkeiten im Bereich der Kontrolle des Einsatzes von Gülle in der Landwirtschaft. Dies sei — außerhalb von Wasserschutzgebieten — Sache der Landwirtschaftskammern. Innerhalb sogenannter Wasserschutzgebiete, die es unter anderem in Grefrath und St. Hubert gibt, bestehen Kooperationen zwischen den Landwirten und den kommunalen Wasserversorgern, um das Grundwasser sauber zu halten.

Nun ist es aber so, dass der Kreis Viersen prüft, ob er nicht doch Zuständigkeiten bei der Güllekontrolle bekommen kann. „Die Kreisverwaltung lässt derzeit eine Studie zur Nitratbelastung des Grundwassers im Kreis Viersen erarbeiten. Es soll aufgezeigt werden, welche Handlungsfelder zum Umgang mit dem Thema gesehen werden, über welche Zuständigkeiten der Kreis Viersen als untere Umweltschutzbehörde verfügt und welche Aufgaben dabei auf Verwaltung und Politik zukommen“, heißt es auf Anfrage der WZ. Vorläufige Ergebnisse der Studie will die Verwaltungsspitze am heutigen Dienstag im Ausschuss für Planung, Bauen und Umwelt präsentieren. Der Kreis will durch das Gutachten in Erfahrung bringen, was getan werden muss, „um eine nachhaltige Trendumkehr bei der Nitratbelastung im Grundwasser herbeizuführen“.

Noch liegt die Kontrolle bei den Themen Düngung und Gülle-Importen einzig und allein bei der Landwirtschaftskammer. Nach Angaben der Körperschaft sind NRW-weit 20 Mitarbeiter mit dem Thema betraut. Hausintern würden die Kollegen schon mal als „Gülle-Polizei“ bezeichnet, sagt Pressesprecher Bernhard Rüb. Allerdings habe die Abteilung der Kammer keinesfalls polizeiliche oder ordnungsbehördliche Befugnisse.

Die Ergebnisse der Kontrollen würden lediglich an die entsprechenden Ordnungsbehörden weitergegeben. Mit dem Resultat, dass 2017 in NRW Bußgelder in Höhe von etwa 500 000 Euro verhängt worden seien. Bundesweit liege NRW auf einem Spitzenplatz. Gleiches gelte für die „hohe Kontrolldichte“ von zehn Prozent.

Dass der Kreis Viersen wegen der Gülle-Importe aus den Niederlanden bei Verstößen besonders auffällig ist, kann Rüb nicht bestätigen. „Die Kontrollen, bei denen Unternehmer wegen Verstößen auffällig geworden sind, verteilen sich auf ganz NRW“, so der Sprecher. Schließlich werde die Gülle aus Holland auch ins Sauerland exportiert.

Auf niederländischem Boden werden die Unternehmer, die mit Gülle arbeiten, übrigens deutlich schärfer kontrolliert. Dort sei die Polizei mit diesen entsprechenden Aufgaben betraut, berichtet Bernhard Rüb. Ein Szenario, das in Nordrhein-Westfalen bislang nicht vorgesehen ist. Offiziell gibt es aus dem zuständigen Umweltministerium keine Aussage dazu, ob in Sachen Kontrollen etwas geändert werden soll.

Es bleibt also dabei, dass die Landwirtschaftskammer so etwas wie die Kontrollinstanz in NRW ist. Interessant ist in diesem Zusammenhang, wie die Kammer aufgebaut ist. „Die Landwirtschaftskammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie hat die Aufgabe, die Landwirtschaft und die in ihr Berufstätigen zu fördern und zu betreuen und im Rahmen ihrer Aufgaben den ländlichen Raum zu stärken. Die Landwirtschaftskammer ist eine berufsständische Selbstverwaltungskörperschaft, in der gewählte Landwirte, Landfrauen und Gärtner die ehrenamtlichen Entscheidungsgremien bilden. Alle Gremien der Landwirtschaftskammer bestehen zu zwei Dritteln aus Vertretern der Unternehmer und zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer“, so die Selbstbeschreibung auf der Homepage der Landwirtschaftskammer.

Das Umweltministerium, das von der Kreis-CDU einen Brief zum Problem bekommen hat, sagt (noch) nicht viel. Die Anfrage der Christdemokraten werde noch bearbeitet. Eine Antwort soll in Kürze auf den Postweg gebracht werden. Die Verzögerung hänge mit dem Ministerwechsel zusammen. Bekanntlich war Christina Schulze Föcking (CDU) Mitte Mai zurückgetreten. Nachfolgerin Ursula Heinen-Esser (CDU) hat das Amt übernommen — und somit auch die Bewältigung des Gülle-Problems.

Derzeit gibt es aus Düsseldorf nur eine allgemeine Antwort auf eine WZ-Anfrage: „Dem NRW-Umweltministerium ist das Problem der hohen Stickstoffbelastung von Teilen der Oberflächengewässer und Teilen des Grundwassers bewusst und das Thema wird hier sehr ernst genommen. Dazu gehört selbstverständlich auch der Teil des Ursachenkomplexes, der in der Landwirtschaft zu suchen ist. Und dazu gehört wiederum der von Ihnen angesprochene ,Gülle-Import aus den Niederlanden’. Zurzeit erfolgt eine Prüfung auch der Verhältnisse in Viersen.“