Kempen/NRW Skandal um Gülle aus Holland: Das sagt das NRW-Ministerium
Gülle-Importe aus den Niederlanden sorgen für Diskussionen. Ein Kempener Unternehmer soll im Zentrum eines Systems stehen, das den Missbrauch begünstigt.
Kempen/Kreis Viersen. Ursula Heinen-Esser, NRW-Ministerin für Umwelt und Landwirtschaft, sieht erste Erfolge im Kampf gegen die missbräuchliche Verwendung von niederländischer Import-Gülle in Nordrhein-Westfalen. Eine intensivere Zusammenarbeit mit den Behörden in den Niederlanden zeige Wirkung. Das hatte sie zumindest der CDU-Fraktion im Kreis Viersen mitgeteilt, die seit einigen Monaten das Ziel verfolgt, den Gülle-Missbrauch in der Grenzregion einzudämmen.
Wie diese Erfolge denn konkret aussehen, hatte die WZ im Ministerium in Düsseldorf angefragt. Die Antworten aus Düsseldorf liegen nun vor. Wirklich konkret sind sie aber nicht. „Aktuell gibt es mehrere laufende Verfahren — auch in den grenznahen Kreisen, in denen Unternehmerinnen und Unternehmer mit illegalen Praktiken aufgefallen sind. Dabei arbeiten die NRW-Behörden eng mit der niederländischen Umweltbehörde zusammen“, teilt die Pressestelle des Ministeriums mit.
Ob es auch im Kreis Viersen entsprechende Verfahren gibt, teilte die Behörde nicht mit. Nach WZ-Informationen aus Kreisen der Politik steht ein Kempener Unternehmer im Zentrum eines Systems, das den Missbrauch von Import-Gülle begünstigt.
Basis für Kontrollen niederländischer Importe ist nach Angaben des Ministeriums die Auswertung der Datenbank „Digitales Dossier“ der Niederlande, in die alle Transporte von Gülle nach Nordrhein-Westfalen vorab eingetragen werden müssen. „Im Jahr 2018 wurden alle Betriebe, die im Digitalen Dossier als Empfänger in NRW erfasst sind (etwa 1300), angeschrieben und die Meldungen geprüft“, so die Pressestelle. „Die Meldungen der niederländischen Exporte werden mit den Daten der Empfängerinnen und Empfänger in Nordrhein-Westfalen verglichen; Unstimmigkeiten werden verfolgt (Meldung der Abgabe stimmt nicht mit der angegebenen Aufnahme überein).“
Zudem sei eine effektive Kontrolle vor allem bei den Wirtschaftsdünger aufnehmenden Betrieben in Nordrhein-Westfalen möglich. Diese werden nach Angaben des Umweltministeriums nach drei Kriterien kontrolliert: „1. Ob sie die Aufnahme von Wirtschaftsdünger aus anderen Ländern wie vorgeschrieben gemeldet haben, 2. ob die zusätzlich aufgenommenen Wirtschaftsdünger auf dem Betrieb auch ordnungsgemäß verwertet werden können, 3. ob die aufgenommenen Nährstoffmengen bei der Düngeplanung und der jährlich zu erstellenden Nährstoffbilanz berücksichtigt wurden.“
NRW-weit seien für die Kontrolle der Düngeverordnung und andere gesetzliche Regelungen zum Düngeeinsatz 20 Mitarbeiter zuständig. Vor etwa zwei Jahren sei dieser Personalschlüssel deutlich erhöht worden.
Den Auftrag zur Kontrolle hat die Landwirtschaftskammer NRW. Bei der Kammer handelt es sich nach eigenen Angaben um eine „berufsständische Selbstverwaltungskörperschaft, in der gewählte Landwirte, Landfrauen und Gärtner die ehrenamtlichen Entscheidungsgremien bilden“. Auf der Homepage heißt es weiter: „Alle Gremien der Landwirtschaftskammer bestehen zu zwei Dritteln aus Vertretern der Unternehmer und zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer.“
„2017 wurden in NRW über 2500 Betriebe nach Aktenlage, davon anschließend rund 1280 vor Ort, kontrolliert“, so das Ministerium. „Daraus ergaben sich 614 Beanstandungen. Weitere 716 Ordnungswidrigkeitsverfahren ergaben sich aus Anzeigen.“ Insgesamt seien im Jahr 2016 476 Bußgelder mit einer Gesamtsumme von knapp 500 000 Euro verhängt worden.
Die Kontrollquote liege im bundesweiten Vergleich am höchsten und betrage derzeit etwa zehn Prozent der betroffenen Betriebe (2500 bis 3000). Die Ergebniszusammenfassung sei aber nicht nach Betrieben, die Gülle aus den Niederlanden beziehen und anderen Betrieben, aufgeschlüsselt.
Diese fehlende Aufschlüsselung dürfte die Kritiker des Kontrollsystems hellhörig werden lassen. Denn für einige Kenner der Branche, mit denen die WZ gesprochen hat, die aber ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchten, ist ohnehin klar: Eine ausreichende Kontrolle der Gülle-Importe aus den Niederlanden ist derzeit nicht gegeben. Festzumachen sei das zum Beispiel daran, dass ein auf niederländischer Seite gut funktionierendes Kontrollsystem per GPS auf deutschem Boden nicht funktioniere.
Deshalb sieht die Kreisverwaltung in Viersen es so, dass auf deutscher Seite nicht gut nachzuvollziehen sei, wo die Gülle abgelassen wird. Ferner sind Experten nicht vom vorhandenen Kontrollmechanismus über die Landwirtschaftskammer überzeugt. Dieser bestehe nämlich weitgehend auf dem Prinzip der Freiwilligkeit, wie es der Aachener Gutacher Frank Müller ausdrückt.
Dieses Prinzip solle hinterfragt werden, sagte Müller bei der Präsentation eines Gutachtens, das der Kreis Viersen beauftragt hatte. Wenn mehr Daten über legale Aktivitäten erfasst würden, könnten illegale Aktivitäten leichter gefiltert werden.
Dieser Aspekt wird sicher ein Bestandteil der Gespräche sein, die Landrat Andreas Coenen (CDU) auf Landesebene führen will. Zudem möchte die Kreisverwaltung auch mehr eigene Kontrollmöglichkeiten. Und dann hat Ministerin Heinen-Esser schon ihren Besuch im Kreis Viersen angekündigt. Die Diskussion über den falschen Gülle-Einsatz und die zu hohen Nitratwerte im Grundwasser des Kreises Viersen wird also weitergehen.