Gutachter: Vermindert schuldfähig
Nach dem Tod eines Neugeborenen wurde der Prozess gegen die Mutter fortgesetzt. Der psychiatrische Gutachter sagte aus.
Grefrath/Krefeld. Verminderte Schuldfähigkeit attestierte der psychiatrische Gutachter am Montag im Prozess um die Kindstötung in Grefrath der Angeklagten vor dem Krefelder Landgericht. Es sei möglich, dass die 24-Jährige in Folge des Blutverlustes während der Geburt, insbesondere durch die abgetrennte Nabelschnur in ihrer Einsichts- und Steuerungsfähigkeit eingeschränkt war. Wäre das nicht so gewesen, hätte sie womöglich nicht so gehandelt, wie ihr von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wird. Nämlich, dass sie ihren Sohn in ein Tuch wickelte und ihn unter das Bett legte, wo er erstickte.
Der Mediziner sagte auch, dass es glaubhaft sei, dass sich die Frau nicht mehr an die Vorgänge kurz vor und kurz nach der Geburt erinnern könne — ebenfalls eine Folge des Blutverlustes. Es könne auch eine Folge der Geschehnisse an sich sein. So ähnlich, wie es Menschen ergeht, die ein schweres Trauma oder einen Unfall erleiden. Dennoch sei aus ihrem vorherigen Verhalten, unter anderem das Geheimhalten und Leugnen der Schwangerschaft, klar hervorgegangen, dass sie den Säugling nicht haben wollte.
Die Angeklagte hätte aufgrund ihres introvertierten Charakters und weil sie nur schwer Vertrauen zu anderen Menschen fasse könne, Schwierigkeiten gehabt, sich überhaupt mitzuteilen und womöglich um Hilfe zu bitten.
Unterstrichen wurde die Aussage des Arztes durch Auswertung des Telefons der Angeklagten. Das besprach der Vorsitzende kurz vor dem Gutachten. Sie sei im September und Oktober, also kurz vor der Geburt, in Internetforen unter anderem in Gesprächsgruppen unterwegs gewesen, die sich mit Themen wie Hausmittel zum Abbruch, Totgeburt oder Medikamenten, die die Leibesfrucht schädigen können, befassen.
„Das drängt einen schon in eine Richtung“, sagte der Richter im Hinblick auf einen möglichen Tötungsvorsatz. Die Angeklagte konnte sich allerdings nicht mehr daran erinnern, was sie genau dort gesucht hat. Das Verfahren wird noch mindestens bis in den Juli hinein andauern. Die verminderte Schuldfähigkeit könnte sich auf das Strafmaß mildernd auswirken. Wobei auch der Strafrahmen für Totschlag in besonders schweren Fällen bis zu lebenslänglich reicht. Das Mindestmaß sind fünf Jahre, im minder schweren Fall ein bis zehn Jahre. Ob Letzterer vorliegt, entscheidet das Gericht unter Abwägung aller Umstände.