Kempener Verwaltung Klares Ja zum Haushalt 2020 – jetzt muss angepackt werden
Kempen · Vor allem die Kosten fürs Personal bereiten Teilen der Fraktionen Sorge. Aktuelle Aufstockung des Stellenplans sei aber notwendig.
Weitgehende Einigkeit herrschte am Dienstagabend im Stadtrat. Und zwar darüber, dass es so nicht weitergehen könne. Wie berichtet, plant Kämmerer Jörg Geulmann für 2020 in den Haushalt ein Minus von 9,8 Millionen Euro ein. Und genau diese Zahl bereitet den Fraktionen – mit Ausnahme der Linken – Sorgen. Es gab aber auch in einem weiteren Punkt Einigkeit. Und zwar darin, dass die zusätzlichen Ausgaben für Personal und diverse Bauprojekte, die für das große Minus sorgen, dringend vonnöten sind. Insofern kam es zum einstimmigen Ergebnis: Der Stadtrat hat den Haushalt 2020 beschlossen.
CDU mahnt auch
kurzfristige Prioritäten an
Jochen Herbst, seit Oktober Fraktionsvorsitzender der CDU, verglich den Etat in seiner ersten Haushaltsrede mit einer Mahlzeit. Ein Essen, das der CDU „eigentlich ganz gut schmeckt“. Mit Blick auf die dauerhafte Liquiditätssicherung merkte Herbst jedoch an: „Ob uns das dann alles noch so gut schmeckt, schauen wir mal.“
Die Stadt müsse die Personalaufwendungen im Blick behalten, so Herbst. „Sollte der Stellenplan für 2020 wie gefordert beschlossen werden, übersteigen wir mit dem Personalbudget die 35-Millionen-Euro-Marke. Das ist mehr als ein Drittel vom gesamten Haushalt.“ Allerdings seien die neu eingerichteten Stellen alle erforderlich. Wie berichtet, musste der Kämmerer zusätzliche zwei Millionen Euro fürs Personal einplanen. „Die Entwicklung werden wir weiter sehr kritisch beobachten“, sagte Herbst.
Für 2020 merkte der CDU-Fraktionschef an, dass sich Kempen nun endlich den Themen Digitalisierung und Klimaschutz stellen müsse. Für letzteren sieht Herbst den von CDU und FDP verabschiedeten Masterplan als geeignetes Mittel an, um Maßnahmen voranzutreiben. Bei allen langfristigen Problemen müssten auch kurzfristige Themen bearbeitet werden. So bezeichnete Herbst die Situation in der Dreifachturnhalle, die seit Sommer wegen Sanierungen gesperrt ist, als „völlig unbefriedigend“. Diese Maßnahme sollte an die „oberste Stelle“ gesetzt werden.
SPD beklagt schlechte
Personalplanung und -führung
Sehr kritisch setzte sich SPD-Fraktionsvorsitzender Andreas Gareißen mit dem Personaletat auseinander. Die Personalkosten würden einen Rekordbetrag erreichen, so Gareißen. „Dies wird die nächste Beanstandung im Rahmen der Genehmigung des Haushaltes 2020 durch den Landrat einbringen. Ich bin gespannt, wie lange es bei bloßen Beanstandungen bleiben wird.“ Gareißen ergänzte, dass die Aufstockungen im Stellenplan „gut begründet und nachvollziehbar“ seien. Er mahnte aber an, dass dies nur eine „Ausnahmesituation“ sein könne. Man dürfe nicht verkennen, „dass dieser Bedarf an zusätzlichem Personal eine Folge von falscher oder schlechter Personalplanung und Personalführung ist“.
Aus Sicht von Gareißen liegen mit dem Verwaltungsgutachten der Firma Allevo seit 2017 konkrete Handlungsempfehlungen vor, die aber in der Verwaltungsspitze auf wenig Interesse stießen. Der eingerichtete Lenkungskreis habe sich erst dreimal in zwei Jahren getroffen. Die Stadt brauche ein Konzept zur Personalentwicklung, so Gareißen: „Immer nur Neueinstellungen vorzunehmen, ohne die Strukturen zu verändern, kann auf Dauer nicht zielführend sein und wird auch finanziell zum Kollaps führen.“
Zur Personalgewinnung, die immer schwieriger werde, gehöre auch ein geeignetes Konzept für Wohnraum. Im Kempener Westen müsse daher auch Wohnraum geschaffen werden, der zum Beispiel im Eigentum der Stadt sei, so der SPD-Fraktionsvorsitzende. Unterm Strich trage die SPD-Fraktion den Haushalt 2020 „mit großen Bedenken“ mit.
Die Grünen vermissen Strategien, Nachhaltigkeit und Projektdenken
„Die von Ihnen beschriebenen eskalierenden Kosten und Risiken sind und bleiben die Folgen zögerlichen Handelns“, sagte Grünen-Fraktionsvorsitzender Joachim Straeten in Richtung Kämmerer Jörg Geulmann und Bürgermeister Volker Rübo. Daher bringe es niemanden weiter, wenn man mit diesen Zahlen „Angst und Schrecken“ hervorrufe. „Es gibt immer noch kein Personalentwicklungskonzept und die Personalbedarfsplanung orientiert sich mehr am Zufall, als dass eine nachhaltige Strategie dahintersteckt“, so Straeten zum Aspekt der Personalkosten.
In vielen Bereichen müsse Kempen weg von einer „Ja-Aber-Politik“ und stattdessen mit der Wirklichkeit beginnen, so Straeten. So zum Beispiel im Bereich des Klimaschutzes, der wie viele andere Themen auch mit einem „Projektdenken“ angegangen werden müsse. In diesem Zusammenhang setzen die Grünen auf eine stärkere Beteiligung der Bürger. Es solle einen „Bürgerrat Kempen“ geben. Straeten: „Warum setzen wir eigentlich nicht auf die Klugheit unserer Bevölkerung?“
Der projektorientierte Ansatz ist aus Sicht der Grünen der richtige Weg, um große Investitionen zu koordinieren und umzusetzen. Kempen brauche „einen klaren Investitionspfad mit klaren Prioritäten“. Derzeit werde von der Verwaltung meist etwas auf die lange Bank geschoben. Häufig bliebe dann nur noch „Katastrophenmanagement“ statt einer nachhaltigen Entwicklung.
FDP fordert Vollzug bei den
vielen offenen Projekten
Im Zusammenhang mit dem prognostizierten Minus sprach FDP-Fraktionsvorsitzende Irene Wistuba vom „Damoklesschwert der Haushaltssicherung“. Die FDP stehe für eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik. Es gebe aber derzeit Ausgaben, die nicht mehr aufgeschoben werden könnten. Mit Blick auf eine Fülle unerledigter Aufgaben forderte Wistuba eine Prioritätenliste mit Zeitschiene und Verantwortlichkeit. „Wir fordern Vollzug! Vereinbartes muss ohne Nachhaken eingehalten werden.“ Dass dies nicht immer klappt, belegte die Liberale mit dem Beispiel der Umkleiden am St. Huberter Sportplatz, Stendener Straße. Der Beschluss dazu sei vor 21 Monaten gefallen. Umgesetzt sei nichts.
Intensiv ging Wistuba auf das Thema „Digitales Rathaus“ ein. Behördengänge von Bürgern und Unternehmen müssten ins Internet verlagert werden. Eine entsprechende Umstrukturierung bedeute sowohl für die Bürger als auch für die Mitarbeiter eine erhebliche Entlastung. „Die Arbeit der Stadtverwaltung soll künftig effizienter, digitaler, nachhaltiger und attraktiver werden.“
Freie Wähler: Kritik an Antragsflut von Grünen und Caniceus
Fast schon traditionell ließ Udo Kadagies (Freie Wähler Kempen/FWK) die Arbeit seiner Fraktion seit 2009 Revue passieren. Inhaltlich schloss er sich Andreas Gareißen an, dass die Verwaltung die Empfehlungen des Allevo-Gutachtens nun auch zu beachten habe. Die Einrichtung der zusätzlichen Stellen begrüßen die FWK aber ausdrücklich – insbesondere mit Blick auf das Bauamt.
Um die personelle Belastung im Rathaus nicht weiter anwachsen zu lassen, riet Kadagies den Ratsmitgliedern dazu, bei Anträgen Vorsicht walten zu lassen. „Wir fordern besonders die Grünen und eine Einzelperson im Rat auf, die Verwaltung nicht weiter mit populistischen Schauanträgen zu überfluten“, so Kadagies.
Damit die finanziellen Belastungen der Stadt nicht weiter anwachsen, mahnte Kadagies an, dass Dinge, die „nice to have“ sind, nicht angepackt werden sollten. „Die Freien Wähler sind inzwischen – zusammen mit der CDU – die einzige verantwortungsvolle politische Kraft, die Steuerverschwendung verhindert.“
Die Linken sehen die Lage entspannter: „gesunde Schulden“
Die angehäuften Schulden und das bevorstehende Investitionsprogramm sah Günter Solecki (Die Linke) weitaus unkritischer als seine Kollegen im Rat. Es werde sicher 20 Jahre dauern, um die Investitionen von zirka 90 Millionen Euro für Schulsanierungen und Co. mit den „jährlichen Überschüssen von vier bis fünf Millionen“ finanzieren zu können. „Aber genau das ist doch auch der Zeitraum, den sich jeder Häuslebauer privat vornimmt, um seine Zukunftsinvestition, zum Beispiel das Eigenheim, zu finanzieren“, sagte Solecki. Daher mache die Stadt „gesunde Schulden“.
„Diesem hier vorliegenden Haushalt stimmen wir zu“, sagte Solecki für seine Fraktion. „Wir haben dem Stellenplan zugestimmt, weil er den Zuwachs, der benötigt wird, zu 95 Prozent beinhaltet. Uns fehlen nur noch einige Bauingenieure im Hochbauamt, aber die werden wir sicher 2020 noch nachreichen müssen, sonst hisst das Amt noch die weiße Fahne. Wir sind für alle Zukunftsinvestitionen, die im Haushalt sind.“
Fraktionsloser Caniceus fordert eine Stabstelle für Fördermittel
Für den fraktionslosen Jeyaratnam Caniceus sind die Zahlen des Haushaltes 2020 das Ergebnis davon, dass die Stadt einige Entwicklungen „verschlafen“ habe: Schulsanierung, Digitalisierung, Schaffung von Wohnraum. Dies müsse aufgeholt werden. Mit dem Blick nach vorn müsse Kempen nun wenigstens beim Thema Klimanwandel „hellwach“ sein, so Caniceus, der neuerdings Kreisvorsitzender der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) ist und für Kempen einen Stadtverband plant.
Beim Wandel in den Bereichen Wohnen, Verkehr und Klimaschutz müsse die Stadt auf Fördermittel setzen. „Die Stadt Kempen soll eine eigene Stabstelle für das Fördermittel-Management einrichten“, sagte Caniceus. „Aufgabe dieser Stabstelle ist es, dezernatsübergreifend sämtliche Fördermittelprogramme des Landes, Bundes und der Europäischen Union, anderer Geldgeber und Stiftungen zu untersuchen, ob sich Mittel für die Aufgaben der Stadt Kempen gewinnen lassen.“