Muslime in Kempen spüren Welle der Hilfsbereitschaft Stilles Gedenken an die Opfer der Erdbeben

Kempen · Nach dem Erdbeben in der Türkei und Syrien spürt die muslimische Gemeinde in Kempen eine Welle der Hilfsbereitschaft. Notfallbegleiter Ilhan Avci berichtet von verzweifelten Anrufen Angehöriger.

Ein Mann beobachtet die Aufräum- und Rettungsarbeiten in der Stadt Diyarbakir.

Foto: AFP/ILYAS AKENGIN

(biro) Als am Montagmorgen in der Türkei und in Syrien die Erde bebte, erhielt der erste Vorsitzende der muslimischen Gemeinde in Kempen, Mehmet Tepecik, über sein Smartphone eine Sprachnachricht seiner Frau. „Sie weinte und schrie“, erzählt der Kempener. Gemeinsam mit den Kindern, zwölf und 14 Jahre alt, war sie in der siebten Etage eines Hauses in der Stadt Diyarbakir im Südosten der Türkei, als ein Nachbarhaus einstürzte. Seine Frau sei mit den Kindern in den Park gegenüber gelaufen. „Mein erster Gedanke war: Ich fliege runter, nehme einen Leihwagen und hole meine Familie da raus“, sagt der Kempener und schüttelt den Kopf: „Aber das geht nicht so einfach. Es gibt keinen Sprit.“

Die Stadt Diyarbakir liegt rund 300 Kilometer entfernt vom Epizentrum, doch auch dort stürzten Gebäude ein. So wie Tepecik geht es derzeit vielen Menschen, die Angehörige in der Türkei und in Syrien haben. Wie groß die Angst um ihre Lieben ist, wie dringend sie ihnen helfen wollen, das spürt man in der muslimischen Gemeinde in Kempen sehr deutlich. Nicht nur bei den Vorsitzenden, bei Tepecik und dem zweiten Vorsitzenden Halit Gediktas, rufen verzweifelte Angehörige an, sondern auch bei Ilhan Avci. Der Kempener ist muslimischer Notfallbegleiter im Bereich Krefeld-Mönchengladbach-Viersen. Andere ruft er selbst an, um Trost zu spenden. In den Gesprächen wird oft geweint. Viele Anrufe gibt es auch, weil Menschen spenden wollen. Die Welle der Hilfsbereitschaft sei enorm, berichtet Avci. Über soziale Netzwerke hält man Kontakt zu Organisationen oder Firmen, die Lkw mit Sachspenden, etwa winterfeste Kleidung, Winterschuhe, Kinderstiefel, in das Erdbebengebiet bringen. Doch der Transport sei teuer, sagt Tepecik, „besser ist es, einen Euro zu spenden, und zwar an zuverlässige, offizielle Organisationen“, fügt er hinzu, etwa an den türkischen Katastrophenschutz Afad, den Roten Halbmond oder die Aktion Deutschland hilft, das Bündnis deutscher Hilfsorganisationen.

Beim Freitagsgebet am 10. Februar werden in den muslimischen Gemeinden in Deutschland Spenden gesammelt. In Kempen verzichtet man im Begegnungscafé, ein Gemeinschaftsprojekt der katholischen und evangelischen Kirche, der muslimischen Gemeinde und des Arbeitskreises Asyl und Menschenrechte, auf die Karnevalsparty: Unter den Besuchern seien viele Syrer und auch türkischstämmige Menschen, die Verwandte und Bekannte im Erdbebengebiet hätten, teilten die Organisatoren mit.

Dafür fand am Freitag, im Gemeindezentrum an der Kerkener Straße ein Gedenken in Stille statt, „um an die Mitmenschen zu denken, die jetzt um Freunde und Verwandte trauern“.