Kempen/Riesa: Im Fadenkreuz der Stasi
Die Familie Lange lebt seit vier Jahren in Kempen und darf nun ihre Akte lesen.
Kempen/Riesa. Karl-Heinz und Annerose Lange werden in diesen Tagen von ihrer Vergangenheit eingeholt. Einer Vergangenheit, die dem Ehepaar heute noch Magendrücken und schlaflose Nächte bereitet: Am 8.September dürfen der 59-Jährige und seine gleichaltrige Frau in Dresden ihre Stasi-Akte einsehen. Im dicken Leitz-Ordner der Bundes-Behörde an der Riesaer Straße7 steht Schwarz auf Weiß, wie die Familie bis zum Zusammenbruch des DDR-Regimes im Jahre 1990 bespitzelt worden ist.
"Alles Elend fing damit an, dass wir 1975 als Petitions-Unterzeichner ins Fadenkreuz der Stasi gerieten", erinnert sich Karl-Heinz Lange, der mit seiner Frau seit vier Jahren in Kempen das Restaurant Haus Platen an der Peterstraße18 führt.
In der Petition ging es um freie Ausreise und Menschenrechte-Themen, die im SED-Staat notfalls mit Gewalt niedergehalten wurden. Seitdem wurde die Familie, die aus dem sächsischen Riesa stammt, schikaniert. Lange: "Ich schätze, dass wir während dieser ganzen Jahre von zirka 30Stasi-Leuten bespitzelt worden sind."
Erst sieben Jahre später durfte die Familie - dazu gehört noch der Sohn Thomas (40) und die Tochter Ines (39) - ausreisen, zunächst nach Bergheim, später nach Kempen. Im Westen bauten sich der Stahlwerks-Facharbeiter und die Kosmetikerin eine neue Existenz auf und sind schließlich in der Gastronomie glücklich geworden.
Bereits einmal durfte die Familie Lange bei der Gauck-Behörde einen Blick in die Stasi-Akte werfen, die ihre Zeit vor der Wende in der ehemaligen DDR aus Sicht der Schattenmänner dokumentiert. Doch auch nach dem Wechsel in die Bundesrepublik im Jahre 1982 spürten die Langes noch acht quälende Jahre den heißen Atem der DDR-Spione im Nacken. "Ich weiß zum Beispiel bis heute noch nicht, warum ich unter mysteriösen Umständen 1989 in Spanien vom Balkon gestürzt bin", hofft Karl-Heinz Lange, am 8.September über seinen Verdacht aufgeklärt zu werden.
Für sich, aber auch für die Familie und vielleicht die Geschichtsbücher wollen die Langes nun auch in dieses dunkle Kapitel deutsch-deutscher Vergangenheit Licht bringen. Karl-Heinz Lange: "Schließlich gibt es da auch noch unseren zehnjährigen Enkel Stefan, der will später auch mal wissen, wie es Oma und Opa ergangen ist."