Kreisarchiv als architektonisches Ausrufezeichen
Der Planer des neuen Gebäudes in Dülken wohnt in St. Tönis und ist in einem Krefelder Büro tätig. Es ist ein Projekt mit großem Potenzial.
Krefeld/Kreis Viersen. Wenn man so will, steht die Wiege des künftigen Kreisarchivs in St. Tönis. Denn dort hat Bernd Volkenannt seinen Wohnsitz, der für den Entwurf des Gebäudes im Wesentlichen verantwortlich zeichnet. Als sein Kollege Veit Stolberg, übrigens auch ein St. Töniser, im Herbst den Anruf erhielt, dass ihr Krefelder Büro DGM mit seinem Entwurf den Wettbewerb gewonnen hatte, fuhr er abends gleich zu Volkenannt. „Wir haben eine Flasche Sekt geköpft“, erinnert sich dieser.
So ein Projekt gibt es schließlich nicht alle Tage. „Ein Archiv zu bauen, das die Geschichte des Kreises aufbewahrt, ist eine sehr spannende Aufgabe“, sagt DGM-Mitarbeiter Martin Schüten aus Vorst. „Es ist ein Projekt mit großem Potenzial“, so Wolfgang Melchert. Der Krefelder gehört zu den Gründungspartnern des Architekturbüros an der Bismarckstraße. Es setzt damit ein Ausrufezeichen im Kreis Viersen, wo man bislang kaum vertreten ist. Beispiele auf der Krefelder Stadtgrenze mit Tönisvorst sind die Grundschule Schicksbaum und die neue Mensa des Gymnasiums Horkesgath.
Die Ansprüche an die Archiv-Entwürfe waren nach Angaben des Bauherren hoch. Landrat Andreas Coenen will das Kreisarchiv in Dülken nach den Grundsätzen der „zirkulären Wertschöpfung“ bauen lassen. Damit ist unter anderem gemeint, dass sich die Schöpfer des Gebäudes bereits Gedanken über den Rückbau machen mussten, ehe überhaupt der erste Spatenstich erfolgt ist. Denn: Die eingesetzten Materialien müssen sich Jahrzehnte später leicht wiederverwerten lassen. Dafür sollen die verwendeten Hölzer und Metalle möglichst unbehandelt bleiben.
Zudem soll das Archiv weniger Energie verbrauchen, als es erzeugt, und einen positiven biologischen Fußabdruck hinterlassen. „Wir wollen am Ransberg ein Ausrufezeichen hinter unsere Archivarbeit und das Thema ‚zirkuläre Wertschöpfung’ setzen. Die 19 eingereichten Vorschläge zeigen, dass die Architekten unsere Ziele sehr gut aufgenommen haben“, fasste der Landrat damals die Sitzung der Preisrichter zusammen. „Der erste Preisträger hat uns derart überzeugt, dass wir einen einstimmigen Beschluss gefasst haben.“
Die Herausforderung für die Architekten lag darin, drei unterschiedliche Aufgabenbereiche unter einem Dach zu integrieren: die Bearbeitung der Archivalien, deren Nutzung und deren fachgerechte Magazinierung bei sehr eng ausgelegten Anforderungen an das Raumklima. Das ist nach Ansicht von Kreisarchivar Michael Habersack sehr gut gelungen. „Die Architekten haben es außerdem geschafft, die Laufwege zwischen den Bereichen möglichst kurz zu halten. Der Neubau wird darüber hinaus den großen Vorzug bringen, dass konzentrierte Forschungsarbeit von Heimatforschern und die Gruppenarbeit mit Schülergruppen unter einem Dach stattfinden können.“
Die Lösung von DGM „vereint die Anforderungen in einem Gebäude, aber nicht unter einem Dach“, so der Kreis. In einem dreigeschossigen, fensterlosen Kubus aus wiederverwerteten alten Ziegelsteinen ist das klimatisierte Magazin angeordnet. Es soll mit seiner monolithischen Fassade an einen „Berfes“ erinnern, einen Schutzturm, den es früher auf niederrheinischen Gutshöfen gab. Unter anderem die St. Huberter kennen einen solchen Turm. Die Arbeits- und Besucherbereiche umschließen in den Plänen das Magazin. „Im Gegensatz zum Magazin ist dieser Gebäudeteil sehr leicht gestaltet — mit Holzkonstruktion und viel Glas. Fensterflächen im Dach sind so angeordnet, dass die Luft sich durch die natürliche Strömung austauscht“, so die Beschreibung. Ein begrüntes Dach halte im Sommer die Hitze ab, im Winter die Kälte. Überstehende Dachkanten sorgten für natürlichen Schatten auf den Fenstern.
Dass das Krefelder Büro den Auftrag bekam, hatte nicht ausschließlich mit Kreativität und Können zu tun. Auch der Faktor Glück spielte eine Rolle. „Wir wurden aus einem Kreis von Dutzenden Bewerbern ausgelost“, erklärt Martin Schüten. Daraus ergab sich dann eine Runde von rund 20 Büros, deren Entwürfe — anonymisiert — in der Endausscheidung bewertet wurden. Für den Kreis Viersen war es daher eine Überraschung, dass der Sieger aus der unmittelbaren Nachbarschaft kommt. Es hätten auch Berliner, Stuttgarter oder Aachener Architekten sein können.
Nach dem Verhandlungsverfahren im Anschluss an den Wettbewerb wurde inzwischen auch der Architektenvertrag unterzeichnet. Landrat Andreas Coenen und DGM-Partner Melchert setzten ihre Unterschriften unter das Papier.