„Mehrheit der Bevölkerung ist nicht fremdenfeindlich“

Der Politikwissenschaftler Klaus-Peter Hufer sprach mit der WZ über Pegida und die Ursachen.

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Kempen. Der Kempener Politik- und Bildungswissenschaftler Klaus-Peter Hufer (65) beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Rechtsextremismus. Der Professor an der Universität Duisburg-Essen und ehemalige Fachbereichsleiter der Kreisvolkshochschule Viersen hat unter anderem das Buch „Argumente am Stammtisch — Erfolgreich gegen Parolen, Palaver und Populismus“ geschrieben.

Herr Professor Hufer, wie lautet Ihre Einschätzung zu Pegida?

Hufer: Ich sehe bei Pegida drei Strömungen. Zum einen machen Menschen mit, die das subjektive Gefühl der Angst umtreibt. Sie sind besorgt, weil ihrer Meinung nach etwas grundlegend schiefläuft in diesem Land. Außerdem bröckelt die bürgerliche Mitte. Es machen sich Abstiegsängste breit und es werden zunehmend sozialchauvinistische Einstellungen festgestellt, nach dem Muster: Wer nichts leistet, gehört nicht hierher, wie in einer jüngsten Studie der Friedrich-Ebert-Stifung zu lesen ist. Nicht zuletzt wird Pegida aber auch ganz klar von Personen gesteuert, die rechtsextreme Ideologien vertreten. Meine ganz persönliche Meinung zu Pegida ist, dass ich es für fatal halte, dass in einer Zeit, in der Menschen weltweit auf der Flucht sind, solche Signale aus Deutschland kommen.

Hat Sie das Auftauchen von Pegida überrascht?

Hufer: Nein, überhaupt nicht. Es brodelt schon lange in Deutschland. Immer weniger Menschen sind an klassischen Parteien interessiert. Es gibt eine ungeheuere Wut gegen Politiker und Journalisten, also gegen diejenigen, die demokratische Strukturen vertreten. Auch klar rechtsextreme und fremdenfeindliche Strömungen nehmen zu. Aus dieser Situation heraus ist Pegida entstanden.

Woher kommt diese Situation?

Hufer: Viele Menschen haben einfach soziale Ängste. Vor allem die bürgerliche Mitte fürchtet den Abstieg.

Aber warum muss man mit solchen Ängsten bei Demos „gegen die Islamisierung des Abendlandes“ mitlaufen?

Hufer: Die Wut und die Angst richten sich gegen das Fremde im Allgemeinen und den Islam im Besonderen. Grotesk finde ich nicht zuletzt, dass Opfer des Islamismus, die nach Deutschland flüchten, hier nun als islamistische Bedrohung gesehen werden. Aber auch Menschen, deren Familien vor Generationen eingewandert sind, werden als Bedrohung empfunden. Das ist auch eine Frage der Generation. Zugespitzt formuliert: Je älter, desto stärker die Abwehrhaltung gegenüber dem Neuen, dem Fremden.

Wie verbreitet ist diese Einstellung?

Hufer: Die Mehrheit in Deutschland ist weder rechtsextrem noch fremdenfeindlich. Das zeigen empirische Studien. Aber ein gewisses Potenzial ist vorhanden, wie nun überdeutlich wird.

Halten Sie Pegida-Demos auch bei uns im Kreis Viersen für möglich?

Hufer: Eher nicht. Ressentimencen gibt es zwar flächendeckend. Aber die Fremdenfeindlichkeit ist dort am größten, wo die Objekte des Vorurteils kaum vorhanden sind, also die wenigsten Menschen mit Migrationshintergrund leben. Das ist ja gerade die Grundlage für das Entstehen von Vorurteilen.

Was kann die Politik nun tun?

Hufer: Die Ängste der Menschen sollten von den etablierten Parteien aufgegriffen werden. Es wäre völlig kontraproduktiv, diese Leute einfach auszugrenzen. Außerdem gilt es, Folgendes deutlich zu machen: Es gibt viele gute Gründe dafür, dass wir Einwanderer brauchen.