Kempen Neues Archiv-Grundstück im Spiel
Bürgermeister Volker Rübo hat eine Fläche an der Kerkener Straße im Blick. Auf Kreisebene wird am Donnerstag eine Entscheidung fallen. Eine Analyse.
Kempen/Kreis Viersen. „Es ist alles offen.“ Diese Aussage hört man in diesen Tagen häufig, wenn man mit Politikern über einen neuen Standort für das Kreisarchiv spricht. Wie berichtet, ist Landrat Andreas Coenen (CDU) mit einer Verwaltungsvorlage in die beteiligten Ausschüsse gezogen, die Viersen als Favoriten ausweist. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Willich und Kempen. Das hat vor allem in der Thomasstadt, in der sich derzeit das Archiv der Burg befindet, für Unmut gesorgt. In erster Linie deshalb, weil Bürgermeister Volker Rübo (CDU) von dieser Rangliste nach eigenen Angaben aus den Medien erfahren hat.
In der Archivfrage stehen in der kommenden Woche zwei entscheidende Sitzungen an: Am Mittwoch entscheidet der Viersener Stadtrat darüber, ob die Stadt ihr Archiv ins Kreisarchiv integrieren soll und somit wohl auch den Standortzuschlag für einen Neubau bekommt. Am Donnerstag tritt dann der Kreistag zusammen, um eine finale Entscheidung zu treffen. Eigentlich. Denn hinter den Kulissen gibt es neue Entwicklungen.
Die wohl spannendste Neuigkeit: Die Stadt Kempen hat ein weiteres Grundstück vorgeschlagen, auf dem sich ein Archivneubau realisieren ließe. Dieses soll sich im Umfeld des Autohauses Gossens und der Shell-Tankstelle an der Kerkener Straße befinden, wie mehrere Quellen der WZ bestätigten. Diese Fläche soll zumindest so interessant sein, dass Landrat Coenen sich noch vor Mittwoch nach Kempen zu einem Vor-Ort-Termin begeben wird.
Nicht zuletzt die Sitzung des Kreiskulturausschusses hatte die Erkenntnis gebracht, dass Kempens erster Vorschlag auf dem Arnold-Gelände wohl aus bautechnischer und finanzieller Sicht nicht interessant ist. Und weil die Archivfrage für die Kempener Politik so bedeutend ist, kämpft Bürgermeister Rübo nun mit einer neuen Fläche für den Verbleib der traditionsreichen Einrichtung in Kempen.
Es kann aber durchaus sein, dass dieser Kampf vergeblich ist. Denn die Stadt Viersen bleibt in der Pole Position. Vor allem aus der zahlenmäßig stärksten Kreistagsfraktion der CDU ist dies zu hören. „Wenn Viersen sich dazu entschließt, das Stadt- ins Kreisarchiv zu integrieren, wäre Viersen ein guter Standort für einen Neubau“, sagt Fraktionschef Michael Aach auf WZ-Anfrage. Sollte der Viersener Rat sich aber gegen eine Fusion entscheiden, wäre die Stadt aus seiner Sicht aus dem Standort-rennen. Das ist durchaus möglich, weil sich vor allem der verantwortliche Viersener Dezernent Paul Schrömbges gegen einen Zusammenschluss ausgesprochen hat. „In diesem Fall habe ich Sympathien für Kempen“, sagt Aach wohl auch mit Blick auf den neuen Grundstücksvorschlag.
Innerhalb der CDU-Fraktion habe man aber noch keinen gemeinsamen Kurs festgelegt. Die Christdemokraten wollen die Ratsentscheidung am Mittwoch abwarten. „Und dann werden wir uns vor der Kreistagssitzung am Donnerstag festlegen“, so Aach. Wichtig sei der CDU, dass am Donnerstag „auf jeden Fall“ über den Zuschlag entschieden wird. „Wir wollen festlegen, in welcher Stadt der Neubau entstehen wird“, sagt der Fraktionschef. Vor allem deshalb, damit das „Gezänk“ zwischen den Kommunen und dem Kreis aufhöre. „Alle Details zu Kosten etc. soll die Kreisverwaltung dann planen vorstellen.“
Aus den Reihen der FDP gibt es deutliche Signale, dass man die Standortfrage am Donnerstag noch nicht abschließend beantworten möchte. „Für uns ist die Sache derzeit nicht entscheidungsreif“, sagt der FDP-Kreisvorsitzende Wolfgang Lochner. Die Liberalen sehen noch zu viele offene Fragen. Vor allem die, welche Städte und Gemeinden denn nun unter dem Dach des Kreisarchives dabei sind. Eine Investition von neun Millionen Euro sei nur sinnvoll, wenn auch Willich und Viersen mit ihren bislang eigenständigen Archiven einbezögen würden. Und dieses Unterfangen erscheint äußerst schwierig.
Die FDP ergänzt die Situation um ein weiteres Szenario. „Sollte die Stadt Kempen ihr Archiv aus dem Kreisarchiv herauslösen, wäre die neue Einrichtung nur noch ein Torso“, so Lochner. Diese Situation des Konkurrenzkampfes unter den Städten ist nach Ansicht der FDP dem Verhalten von Andreas Coenen geschuldet. „Aufgrund des ungeschickten und unsensiblen Taktierens des Landrats besteht jetzt die große Gefahr, dass dieses Zukunftsprojekt vor die Wand gefahren wird“, teilen die Liberalen mit. Die Verärgerung und die Bedenken in Kempen, Viersen und Willich seien nachvollziehbar. Der Landrat habe „Politik nach Gutsherrenart“ betrieben.
So deutlich wird SPD-Bundestagsabgeordneter und Kreistagsmitglied Udo Schiefner zwar nicht, dennoch übt er Kritik am Landrat: „Das war sicher kein diplomatisches Meisterstück.“ Andererseits findet Schiefner, dass sich Kempens Bürgermeister „zu defensiv“ verhalten hat. „Wenn man um etwas kämpft, muss man auch offensiver agieren“, sagt Schiefner. Sprich: Der nun erfolgte Grundstücksvorschlag hätte auch früher kommen können.
Auch die Sozialdemokraten haben noch keine abschließende Meinung für eine Abstimmung am Donnerstagabend. Für Udo Schiefner steht aber fest, dass die aktuelle Vorlage des Landrates mit dem Städteranking Viersen — Willich — Kempen nicht für eine Zustimmung geeignet ist. „Diese Vorlage ist nicht klar und eindeutig. So einer Vorlage kann ich nicht zustimmen“, sagt der Kempener.