Notarzt: Kempener Hospital kann zu Wagen-Standort werden

Sollte der Kreis Viersen die in Kempen gelebte Trennung von Wagen und Arzt tatsächlich aufheben, signalisiert das Krankenhaus Gesprächsbereitschaft. Bis zu einer Entscheidung wird es noch dauern.

Foto: Kurt Lübke

Kempen/Kreis Viersen. Das Gutachten zur Neustrukturierung des Rettungsdienstes im Kreis Viersen beschäftigt die beteiligten Behörden und Unternehmen weiterhin. Seit vergangener Woche liegen Auszüge des Gutachtens auf dem Tisch. Das vom Kreis Viersen beauftragte Büro Forplan schlägt unter anderem vor, Wachen zu schließen, um dann an anderer Stelle neue zu bauen. Für Zündstoff sorgt das unter anderem in Willich, weil die erst vor einem Jahr fertiggestellte Rettungswache in Anrath aufgegeben werden könnte — und dafür ein Neubau in Vorst entstehen soll, um die vorgeschriebene Acht-Minuten-Hilfsfrist in St. Tönis einzuhalten.

Sollte dies umgesetzt werden, hätte das auch Auswirkungen für die Kempener Rettungswache. Denn von dort wird derzeit die Stadt Tönisvorst mitbetreut. Geht es nach dem Gutachter, bliebe künftig für die Kempener Retter das Einsatzgebiet Kempen und Grefrath übrig.

Für Aufsehen hat in Kempen allerdings ein anderer Aspekt des Soll-Konzeptes gesorgt. Das Gutachten und auch Kreis-Ordnungsdezernent Thomas Heil machten deutlich, die Trennung zwischen Notarzt auf der einen sowie Notarztwagen und Fahrer auf der anderen Seite aufheben zu wollen. Derzeit ist der diensthabende Arzt im Hospital „stationiert“. Bei einem Einsatz fährt der Notarztwagen an der Rettungswache, Heinrich-Horten-Straße, los, holt den Arzt am Hospital an — und dann geht’s zum Einsatzort. Aus Sicht des Kreises Viersen führt das dazu, dass Zeit verlorengeht.

Analyse

Kempens Beigeordneter Hans Ferber machte bereits vergangene Woche gegenüber der WZ deutlich, dass die Stadt an der seit mehr als 30 Jahren bestehenden Trennung festhalten wolle. Schließlich ist vertraglich geregelt, dass das Hospital einen Großteil der Kosten für die Notärzte übernimmt. Denn wenn diese gerade nicht im Noteinsatz sind — und das ist an einem überwiegenden Teil des Tages so — arbeiten die Ärzte im Krankenhaus.

Das Unternehmen Artemed, das seit 2012 Eigentümer des Kempener Krankenhauses ist, verhält sich in der Notarztfrage noch zurückhaltend. „Im Hospital wollen wir die Entscheidung der Stadt zum Thema Trennung oder Nicht-Trennung von Notarztwagen und Fahrer abwarten“, teilt Geschäftsführer Thomas Paßers auf Anfrage der WZ mit. Sollte sich jedoch herauskristallisieren, dass auf Kreisebene die Aufhebung der Trennung beschlossen wird, signalisiert das Hospital Gesprächsbereitschaft. „Käme es zu einer Zusammenlegung, dann würden wir mit den Mitteln des Hospitals versuchen, den Standort des Wagens ans Krankenhaus anzugliedern“, so Paßers.

Insgesamt ist nicht damit zu rechnen, dass die Kommunen und die Kreisverwaltung bei der Neustrukturierung zu einer schnellen Lösung kommen. Nachdem die Präsentation von Auszügen aus dem Gutachten in einer Pressekonferenz, gegenüber den Kommunen und im Ordnungsausschuss des Kreises hohe Wellen geschlagen hat, betonen alle Beteiligten derzeit, dass es sich lediglich um einen Vorentwurf handelt.

Vor allem die Kommunen haben viele Fragen. Beim Thema einer neuen Wache in Vorst stellt sich zum Beispiel die Frage, ob der Bahnübergang in Richtung Anrath bei der Erstellung des Gutachtens berücksichtigt worden ist (die WZ berichtete). Denn geht es nach dem Soll-Konzept, wäre die Vorster Wache künftig auch für Anrath zuständig.

Um ein mögliches Bahnproblem geht es im Zusammenhang mit dem Gutachten übrigens auch in Nettetal. Dort sollen die Wachen Lobberich und Kaldenkirchen zusammengelegt werden — an einem neuen Standort in Breyell-Gier. „Während die Zusammenführung unserer beiden Standorte sicher zu diskutieren ist, begegnet ein völlig neuer Standort in Breyell-Gier vielen Fragen“, teilt Nettetals Bürgermeister Christian Wagner bei Facebook mit. „So haben wir in Abstimmung mit den Krankenkassen erst 2012 in Kaldenkirchen investiert und zudem ist Gier nach erstem Anschein wegen der Bahntrasse und den zwangsläufigen Wartezeiten am Übergang Breyell eher schwierig.“ Wie aus Fachkreisen zu hören ist, wurde der Standort explizit gewählt, um die angrenzende Autobahn für Einsatzfahrten nutzen und so den von Wagner angesprochenen Bahnübergang umgehen zu können.

Vonseiten der Krankenkassen, die im Rettungsdienst als Kostenträger fungieren, gibt es zur aktuellen Diskussion noch keine Meinung. AOK-Regionalleiter Heinz Frohn macht gegenüber der WZ deutlich, dass man mit den Kommunen und der Kreisverwaltung gut zusammenarbeitet. In Kürze wird der AOK-Chef der Verwaltungsführung im Kreis Viersen den Gesundheitsreport 2018 vorstellen, den die AOK bundesweit für alle Regionen erstellt hat. Darin geht es um Strategien in verschiedenen medizinischen und gesundheitspolitischen Bereichen. Ein Bestandteil der Analyse ist auch der Rettungsdienst. Frohn betont jedoch, dass die aktuellen Diskussionen im Report keine Berücksichtigung gefunden haben.