Wenn die Pflege nicht gesund ist
Mitarbeiter in Pflegeheimen sind häufiger und länger krank als andere Arbeitnehmer. Das geht aus einer Statistik der AOK im Kreis Viersen hervor.
Kempen/Kreis Viersen. Der Pflegenotstand, also der Mangel an Fachkräften, wirkt sich offenbar auf die Gesundheit der Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen aus. Das geht aus der Statistik der Krankenkasse AOK für 2017 hervor. Demnach lag der Krankenstand bei den Ausfällen über sechs Wochen in den Pflegeberufen im Kreis Viersen bei 2,24 Prozent. Damit nehmen die Pflegeberufe in diesem Feld im Kreis Viersen den Spitzenplatz ein. Der Durchschnittswert innerhalb der AOK im Kreis Viersen lag bei 1,92 Prozent, im gesamten Rheinland liegt 1,59 Prozent.
Diese Zahlen aus dem Feld über der Sechs-Wochen-Frist belegen nach Angaben der AOK, dass erkrankte Mitarbeiter im Pflegebereich besonders lange brauchen, um zu genesen und wieder arbeiten zu können. Aber auch unterhalb der sechs Wochen sind die Zahlen im Pflegebereich (7,4) höher als im Kreis- (5,94) und im Rheinland-Durchschnitt (5,58) aller Berufe.
Nach Angaben von Gregor Mertens von der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF), die die Statistiken für die AOK erfasst, können die Zahlen ein Anzeichen dafür sein, dass Pflegekräfte überlastet sind. Heinz Frohn, AOK-Regionaldirektor für Mönchengladbach und die Kreise Viersen und Heinsberg, ergänzte im Rahmen einer Pressekonferenz allerdings, dass der Anteil der Erkrankungen im Bereich der Pflege bei der AOK „traditionell hoch“ sei. Die Krankenkasse verfüge über einen hohen Anteil an Versicherten in den Pflegeberufen.
Nichtsdestotrotz bezogen Mertens und Frohn mit Blick auf den Pflegenotstand deutlich Stellung. „Es gibt im Bund den Vorschlag, 8000 Stellen im Bereich der Pflege zu schaffen. Das bedeutet letztlich aber nur etwa eine zusätzliche Kraft pro Pflegeheim“, so Mertens. Dieses Vorhaben könne also nur ein Anfang sein. Frohn monierte, dass im Bereich der Pflege zu viele gewinnorientierte Unternehmen am Werk seien. „Dass Pflegeheim-Betreiber an der Börse gehandelt werden, darf der Gesetzgeber einfach nicht zulassen“, so Frohn.
Zurück zu den Krankenständen: Weiterhin einen leichten Anstieg verzeichnet die AOK im Bereich der psychischen Erkrankungen. In diesem Bereich liegt für 2017 eine Häufigkeit von zwölf Fällen je 100 AOK-Versichertenjahre vor. Damit liegen die psychischen Erkrankungen weiterhin auf dem vierten Platz hinter Erkrankungen der Atemwege (43,48 Fälle), des Muskel- und Skelettapparats (35,83) und des Verdauungsbereiches (19,36).
„Den Anstieg im Bereich der psychischen Erkrankungen verzeichnen wir seit einigen Jahren“, so Greogor Mertens: Zum Vergleich: 2006 lag der Fallwert in diesem Bereich noch bei etwa vier. Der Anstieg habe „ohne Frage“ etwas mit einer gestiegenen Belastung in der Arbeitswelt zu tun, so der Experte. Allerdings auch mit einem anderen Diagnoseverhalten der Ärzte. „Inzwischen ist es so, dass zum Beispiel ein Rückenschmerz vermehrt auf psychische Probleme zurückgeführt wird“, sagt Mertens. Dies wirke sich dann auch auf die Statistik aus.
Auch vonseiten der Versicherten gebe es Einflüsse im Bereich der psychischen Erkrankungen. „Die Krankheiten sind enttabuisiert worden“, so Mertens. Die Versicherten trauten sich, diese Probleme einzugestehen und einen Arzt aufzusuchen. Dies seien allerdings zu zwei Dritteln Frauen. Deshalb sei zu vermuten, dass Männer sich weiterhin schwerer tun, eine psychische Erkrankung „zuzugeben“.
Im Allgemeinen hat die AOK festgestellt, dass Unternehmer sich vermehrt auf das Thema betriebliche Gesundheitsförderung einlassen. Und im Speziellen auch im Bereich der psychischen Belastungen. „Es ist der Trend erkennbar, dass sich Firmen spezielle Programme von Dienstleistern besorgen“, so Gregor Mertens. Dies könne so funktionieren, dass ein Dienstleister sich im Auftrag eines Unternehmens um die psychischen Probleme der Mitarbeiter kümmert, damit daraus keine ernsthaften Erkrankungen entstehen — „natürlich anonymisiert“.
Diese Modelle findet der Gesundheitsexperte begrüßenswert. „Das dürfen aber nicht die alleinigen Maßnahmen sein“, sagt Mertens. „In erster Linie müssen Unternehmen darauf achten, dass es nicht zur Überschreitung der Arbeitszeiten und somit zu einer Überlastung kommt.“
Auf die Frage, ob es sinnvoll sei, mehr Geld in die betriebliche Gesundheitsvorsorge zu investieren, antworteten sowohl Mertens als auch Frohn mit „Ja“. Allerdings sei da die Politik bzw. der Gesetzgeber am Zug. „Derzeit darf eine Krankenkasse pro Mitglied und Jahr sieben Euro für Gesundheitsförderung ausgeben“, so Mertens. Dabei seien alle Bereiche von der Kita bis zum Altenheim erfasst. Auf die betriebliche Förderung entfielen letztlich nur zwei Euro pro Mitglied. Dies sei gesetzlich festgeschrieben. „Daran kann also nur die Politik etwas ändern.“