Papstbesuch: Hoffnung auf Annäherung
Geistliche aus der Region erwarten die Förderung der Ökumene.
Kempen/Grefrath/Nettetal. Das Oberhaupt der katholischen Kirche, Papst Benedikt XVI., trifft am Donnerstag zu seinem ersten offiziellen Staatsbesuch in Deutschland ein. In der Bundesrepublik hat die katholische Kirche — vor allem nach dem jüngsten Missbrauchsskandal — keinen leichten Stand. Zudem wird der Ruf nach Reformen immer lauter.
Zum Auftakt spricht der Papst vor dem Deutschen Bundestag. Nachdem zunächst die Fraktionen der Einladung zugestimmt haben, verkündeten jetzt etwa 100 Abgeordnete aus den Reihen von SPD, Grünen und der Linkspartei, aufstehen und gehen zu wollen (die WZ berichtete).
Propst Thomas Eicker (St. Mariae Geburt in Kempen) findet klare Worte: „Jeder blamiert sich so gut er kann.“ Aufstehen und gehen — das ist für Eicker schlicht „unhöflich“. Für ihn ist Benedikt XVI. einer der klügsten Menschen, die sich weltweit zu Wort melden. Er setze Impulse und mache sich Gedanken, wie sich die Christen in der heutigen Welt positionieren können.
„Der Papst hat Wichtiges zu sagen. Er macht sich Gedanken zum Zusammenleben der Völker“, so Eicker. „Wer nicht willens ist, dem Papst zuzuhören, ist für mich kein Volksvertreter.“
Ähnlich sieht das auch Pfarrer Michael Gallach von der evangelischen Kirchengemeinde Kempen. „Geistig sehr arm“, sind seine Worte. „Ich musste ein wenig darüber lachen“, sagt Gallach. „Denn ausgerechnet das, was die Demokratie ausmacht, ist doch das Zuhören.“ Ein Parlament sei ein Ort, in dem sehr unterschiedliche Strömungen aus der Bevölkerung zusammenkommen. Innerhalb einer Demokratie müsse man mit Widersprüchen umgehen können. „Wer aufsteht und geht, muss sein Gewissen prüfen, bei wem er denn sitzen bleiben würde. . .“
Der Papst sei eine wichtige Persönlichkeit, findet Pfarrer Hartmut Boeker, Evangelische Kirchengemeinde Grefrath. „Auch wenn man nicht mit ihm einer Meinung ist, man sollte ihn reden lassen und ihm zuhören“, sagt er. Das Verhalten der Abgeordneten findet er kleinlich.
Pfarrer Günter Wiegand von der katholischen Kirchengemeinde St. Sebastian in Lobberich: „Der Papst ist ein kluger Kopf“, der die Welt differenziert in den Blick nähme. „Ob man mit ihm einer Meinung ist, das steht auf einem anderen Blatt. Ich finde es nur traurig, wenn jemand von vornherein sagt, das muss ich mir nicht anhören’“, so Wiegand.
Am Freitag trifft sich der Papst mit Vertretern der evangelischen Kirche. Eicker, Boecker, Wiegand und Gallach sind sich einig: Alle hoffen auf eine Annäherung. „Ich würde mir wünschen, dass wir Christen wieder an einem Strang ziehen“, sagt Eicker. „Die Fragen der Menschen sind so groß, dass sie vor dem Hintergrund der Unterschiede relativiert werden müssten.“ Wiegand findet es „eine gute Sache“, dass dieses Gespräch zustande kommt. „Letztenendes aber ist es Gott, der die Annäherung vorantreiben muss.“