Reaktionen aus Kempen und Neersen Sparkassen-Schließung: Viel Kritik, aber auch eine Menge Verständnis

Kempen/Willich · Die Fililalen im Hagelkreuz sowie in Tönisberg und Neersen fallen weg. Reaktionen aus Politik und Vereinen.

 Die Filiale am Concordienplatz in Kempen ist eine von 19, die die Sparkasse aufgeben wird.

Die Filiale am Concordienplatz in Kempen ist eine von 19, die die Sparkasse aufgeben wird.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Enttäuschung, Verägerung, aber auch Verständnis – das sind die Reaktionen, die die WZ zur Schließung von 19 Sparkassen-Filialen in Krefeld sowie in den Kreisen Viersen und Kleve eingesammelt hat. Die Kürzungen treffen insbesondere den Kreis Viersen. In Kempen werden die Geschäftsstellen in Tönisberg und im Hagelkreuz-Viertel geschlossen. In Willich trennt sich die Sparkasse von der Filiale in Neersen. Umgesetzt wird das Sparprogramm im Frühjahr 2020. Schon ab 8. Juli werden die 19 Filialen nur noch halbtags von 9 bis 12.30 Uhr geöffnet sein. Die Oedter Geschäftsstelle bleibt zwar erhalten, ist aber ab 8. Juli nur noch vormittags geöffnet.

„Für unser Viertel ist das eine sehr schlechte Nachricht“, sagt Willi Stenhorst, Vorsitzender des Bürgervereins Kempen-Hagelkreuz. Insbesondere die vielen älteren Menschen im Viertel lägen viel Wert auf die persönliche Beziehung in einer Bank. Dass sie diese nun in der Filiale in der Kempener Innenstadt fortsetzen können, sei nur ein schwacher Trost. „Der Weg zu Fuß in die Altstadt ist für ältere Menschen schon weit. Und der Bus hält am Bahnhof. Da ist man auch nicht direkt an der Orsaystraße“, so Stenhorst.

Dennoch hat der CDU-Ratsherr Verständnis für die Entscheidung. „Das Kundenverhalten hin zum Online-Banking und das niedrige Zinsniveau sind gewichtige Faktoren“, sagt Stenhorst. Daran komme man nicht vorbei. Er hofft, dass die Sparkasse die Kunden im Übergang bestens begleitet. „Wir müssen sehen, was ab Frühjahr als Service vor Ort übrig bleibt.“ So sei es sinnvoll, wenn am Concordienplatz zumindest Automaten stehen bleiben. Das will die Sparkasse für die Standorte, die aufgegeben werden, in Kürze entscheiden.

Als „zwangsläufig und richtigen Schritt“ bezeichnet Peter Fischer die Entscheidung der Sparkasse. Der CDU-Ratsherr und Vorsitzende der Kreistagsfraktion führt insbesondere die Niedrigzinsphase als Argument an. Fischer ist stellvertretendes Mitglied des Sparkassen-Verwaltungsrates. Außerdem ist er Vorsitzender des Zweckverbandes. „Die Sparkasse muss sich weiterhin für die Region gut aufstellen“, so Fischer. Da komme man auch um solche Entscheidungen nicht herum. Zum Beispiel für die Menschen im Hagelkreuz-Viertel, in dem Fischer seit seiner Kindheit lebt, sei das ohne Frage bitter. „Da hoffe ich aber auf den mobilen Service der Sparkasse“, so der Politiker. Die Unternehmensführung habe angekündigt, dass es entsprechende Pläne gebe. So sei es schon in anderen Städten so, dass Sparkassen-Mitarbeiter zum Beispiel zu einem Wochenmarkt fahren und dann „mobil“ mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Eine SB-Versorgung mit Geldautomaten und Co. wünscht sich auch Bernd Fröchtenicht für Tönisberg. „Es sind ja gerade die älteren Mitbürger, die weiterhin das meiste mit Bargeld bezahlen“, sagt der CDU-Ratsherr. Daher wäre es wichtig für das Bergdorf, wenn Automaten übrig blieben. Das habe auch die Volksbank bei ihrem Rückzug aus Tönisberg so entschieden. Grundsätzlich kam die Nachricht für Fröchtenicht nicht überraschend. „Das ist nun mal die Entwicklung in unserer Zeit. Vom stationären Einzelhandel mussten sich die Tönisberger schon vor vielen Jahren weitgehend verabschieden“, sagt der Steuerberater.

Harsche Kritik an der Entscheidung der Sparkasse kommt von den Kempener Grünen – insbesondere an der Schließung in Tönisberg. Die Fililale im Hagelkreuz-Viertel erwähnen die Grünen in ihrer Mitteilung gar nicht. „Wir haben erhebliche Zweifel daran, dass die Sparkasse mit der Schließung der Tönisberger Filiale noch ihren festgeschriebenen öffentlichen Auftrag erfüllt“, heißt es in einer Pressemitteilung des Ortsverbandes. So würden zum Beispiel gehandicapte Menschen „vom Zahlungsverkehr abgetrennt“.

Hinzu komme das schlechte ÖPNV-Angebot für die Tönisberger. „Das ist unsozial und entwicklungspolitisch verheerend“, so der Tönisberger Grüne Rene Heesen. Das Argument der Sparkasse, dass die Kunden mehrheitlich online ihre Geschäfte abwickeln, akzeptieren die Grünen nicht. Dazu würden die Kunden durch die Kostenstruktur der Kontoführung „genötigt“.

Für die Zukunft stellen die Grünen zudem die Frage, ob die öffentliche Trägerschaft der Sparkasse aufrechterhalten werden soll. Dazu müsste die Sparkasse auch weiterhin ihren eigentlichen Auftrag – die breite Versorgung – erfüllen, so die Partei.

Der Fraktionschef der Kempener Linken, Günter Solecki, übt ebenfalls Kritik: „Seit Jahren verweigert die Sparkasse Krefeld den notleidenden Kommunen die obligatorische Überschussbeteiligung. Nur so könne man sicherstellen, dass die Sparkasse auch in Zukunft in der Region mit ihren Filialen vertreten sei. Jetzt wird noch deutlicher: Die Sparkassenführung interessiert sich nur für den Profit.“ Die Sparkasse müsse sich ihrer Verantwortung für die Region stellen. Die Linke „appelliert energisch an alle Komunalpolitiker in den Entscheidungsgremien der Sparkasse Krefeld, diesen angekündigten Schließungsfrevel rückgängig zu machen“.

Unverständnis herrscht auch in Willich über die Aufgabe der Neersener Filiale. „Die Schließung halte ich für unverantwortlich“, postet Willichs CDU-Vorsitzender Christian Pakusch bei Facebook. Er habe seine Verägerung im Stadtrat zum Ausdruck gebracht. „Die Sicherstellung der Nahversorgung im ländlichen Raum ist eine Kernaufgabe von Politik und Verwaltung. Hierzu gehört auch, dass wir Banken vorhalten“, so Pakusch. „Wir erwarten von allen Akteuren, dass sie dementsprechend handeln. Nur so kann verlorengegangenes Vertrauen in die Politik zurückgewonnen werden.“

Thomas Gartz, der ein Fachgeschäft für Haushaltswaren in Neersen betreibt, ist besorgt: „Schon wieder ein Anlaufpunkt im Ort weg.“ Es sei nicht nur traurig, dass das persönliche Gespräch wegfalle. „Was tun nun die“, fragt er, „die schlecht hören, schlecht sehen oder Gicht in den Händen haben? Die kommen mit einem Automaten nicht zurecht.“ Der Ladenleerstand im Ort bekümmert ihn. Eine schnelle Nachnutzung sieht er nicht. „Das Internet, ja, das größte Kaufhaus der Welt. Aber was bleibt denen, die damit nicht umgehen können?“ Er sei für Neersen und seine Bürger froh, dass es den starken Edeka-Markt im Ort gebe. In Bezug auf die Gründe für die Schließung von 19 Sparkassen-Filialen im Kreis und in Krefeld, auf die schlechte Frequentierung, meint Gartz: „Muss denn das Schwache immer weg, könnte es nicht auch gestärkt werden?“

Rosemarie Wahlefeld, Ur-Neersenerin und aktiv im Seniorenbeirat der Stadt Willich, bedauert die Schließung „vor allem für viele ältere Herrschaften im Ort. Müssen sie nun für ihre Bankgeschäfte nach Anrath und Willich?“ Sie hofft, dass ein Bankomat oder ein Fahrdienst die Nachteile der Filial-Schließung mildert.