St. Hubert: Kabarett - Ein Kontrollfreak für Herz und Hirn
Lars Reichow eröffnete als Unterhaltungskanzler die neue Saison im St.Huberter Forum.
St. Hubert. Auch ein Kabarettist ist machtlos gegen Stau. Zwar betrat Lars Reichow am Premierenabend auf die Minute genau die Bühne der "Kleinkunstkneipe" im Forum St. Hubert, musste dort aber erst einmal die Lautsprecher-Boxen einstellen lassen. Wer ist dieser Mann, der neutrale Geräusche absondert, sobald man sich nichts mehr zu sagen hat? Der seine pointierten Beobachtungen nur für klangvolle Klavier-Kalauer unterbricht? Der vom Autositz ins Rampenlicht wechselt, als wäre nichts selbstverständlicher auf der Welt?
Nun, Lars Reichow ist Mainzer, reiste an diesem Tag aus Marburg an und eröffnete mit seinem Programm "Der Unterhaltungskanzler" die neue Kempener Kabarett-Saison. Als Kanzler kommt er halt viel rum, parliert über andere Staatsleute, hat den Geschlechterk(r)ampf im Blick und ist mit vielen Milliardären per Du.
Sein Schönheitsrezept heißt Lachen, ihm steht die Chirurgie nicht ins Gesicht geschnitten. Ein Visionär, dieser Reichow: Erkennt er doch im Klatschen der Rentner das Geräusch der Zukunft, besitzt die Q-Card fürs abgehalfterte Ego.
Nein, er beaufsichtigt keine heiße Luft - dieser Mann ist Kontrollfreak, möchte nasse Lappen auf krümelnde Brötchen werfen. Kabarett und Klavier greifen bei ihm ineinander, die offenen Akkorde spiegeln seine Art. Ein Kosmopolit, der auf Mykonos Rührei verspeist, weiß eben auch übers Leben der Queen Bescheid: "Rumfliegen, essen, winken."
Seine Hymne an den zeitgenössischen deutschen Biedermeier bringt keinen Sieger hervor. Da hilft auch kein Tee auf Stövchen mehr. Da sind Acker und Pizza längst fertig bestellt.
Reichow präsentiert mit wissendem Blick und hohem Trillern eine kluge Show für Herz und Hirn. "Hast mir lange nicht gefehlt" wird man über ihn nicht sagen - auch wenn er laut Zugabe-Fantasie in anderer Leute Vorgarten jonglieren will. Kurzum: Es war ein beglückender Abend mit Biss.