Kempen Steckel baut lieber Koffer als Häuser

Federleicht, schick und funktional: die Gepäckstücke entstehen am PC in Kempen. Mit diesem Unternehmen startet eine neue Serie der WZ über Manufakturen in der Region.

Foto: Kurt Lübke

Kempen. Wer einen Koffer packt, packt das Nötigste. Oder für jedes Wetter. Die Unterlagen für eine wichtige Konferenz. Anzug und Krawatte. Oder die Badehose. Ob Handgepäck oder zur Aufgabe — der Koffer schützt und verbirgt das, was dem Kofferträger beim Transport von A nach B unverzichtbar scheint. Der Koffer als Mittel zum Zweck. Vielleicht mit einem farbigen Bändchen oder Reiseaufklebern versehen, damit das Gepäckstück zwischen vielen anderen schnell wiedererkannt wird.

Foto: Kurt Lübke

Die Koffer, die Marc-Christoph Steckel entwirft, sind mehr. Sie sind ein Statement. Sie sollen Eindruck hinterlassen und dabei ungepackt federleicht sein. Steckel-Modelle sollen, wenn der Kundenwunsch Entwurf und der Entwurf Produkt geworden ist, eine Einheit mit dem neuen Besitzer bilden. Der Koffer als individualisierter Begleiter. Angepasstes Design, hohe Funktionalität und ausgewählte Materialien, die das gute Stück zum Lebensreisepartner werden lassen. Schon das Anfassen soll ein gutes Gefühl geben.

Koffer, sagt Steckel, „haben mich immer schon fasziniert“. Mit zwölf hatte er einen grünen Rimowa-Koffer. „Ich habe früher schon gerne Koffer gebaut. Mit Schaumstoff aus dem Baumarkt habe ich einen für meine Play-Station gebaut.“ Und dann fragt er, ob man sich an die Szene in dem Film-Klassiker „Manche mögen’s heiß“ erinnert, in der einer der Hauptdarsteller aus dem Zug steigt und einen Schrankkoffer dabei hat. „Damals“, lächelt Steckel, „habe ich gesagt: So einen baue ich in schön.“

Bis zum Koffer-Designer, bis zur eigenen Marke, hat der gebürtige Düsseldorfer mit Verwandtschaft im hohen Norden einige Stationen ohne eigens entworfenes Gepäck zurückgelegt. Der mittleren Reife schloss Steckel eine Tischlerlehre an, arbeitete danach aber nur kurze Zeit als Geselle. „Mir fehlte die Individualität.“ Nächste Idee: Produktdesign in Hamburg. „Das wollte ich studieren“, sagt der selbstbewusste Wahl-Kempener. Er legte damals Material- und Farbmuster vor. Doch die Uni sandte eine Absage. Steckel, der meint, er sei der Zeit damals voraus gewesen, ließ sich nicht entmutigen und begann ein Architektur-Studium.

Nach dem Abschluss aber sattelte er um. Entwarf keine Häuser, sondern wandte sich endlich seinen Kofferideen zu. Erste Entwürfe entstanden in seiner Wohnung. „2009 habe ich meinen Showroom an der Kuhstraße eröffnet.“

Dort steht auch der erste Steckel-Koffer. „Ein Schrankkoffer, schweineschwer“, sagt Steckel. Das passiert ihm heute nicht mehr. Koffer aus der Steckel-Manufaktur für Individualisten tragen die selbstbewusste Handschrift des 37-Jährigen. Und ein Preisschild, das die Qualität der Verarbeitung und der Materialien rechtfertigt. Leichtes Gepäck für fünfstellige Summen.

Die Leichtigkeit des Gehäuses liefert ein Material, mit dem der Airbus 380 gebaut wird. Eine Papierlage, die aussieht wie Bienenwaben, elastisch und zugleich fähig, viel Druck standzuhalten.

Auf ein Werkstück, das an einen Kunden in Monaco verkauft wurde, ist Steckel besonders stolz. „Ein Hemdenkoffer, der einen Deckel hat, aber auch nach vorne zu öffnen sein sollte. Das wurde möglich durch einen starken Magneten.“

Steckel gelang es, am PC eine Unterkonstruktion zu entwickeln, die nach Zusammenbau nur 1,5 Kilogramm auf die Waage brachte. Innen wurde der Koffer mit Conolly-Leder, von einem britischen Lieferanten bezogen, ausgekleidet. Der Kunde wählte einen Magnolia-Farbton, beige, außen wurde es ein Rot-Braun, ein Sattelton. „Extra in Hamburg gefärbt.“

Steckel arbeitet mit ausgesuchten Spezialisten zusammen, die seine Ideen umsetzen. Kunden erhalten eine Proportionszeichnung, die eine Figur neben dem Koffer zeigt, damit der Kunde sich das Größenverhältnis ansehen kann. Marc-Christoph Steckel sucht sich seine Lieferanten und Produktionspartner genau aus. Beschläge beispielsweise findet er „bei meinem Taschenbeschlaghändler im Ruhrgebiet“.

Laufkundschaft hat Steckel nicht. Aber Schaukundschaft. Dass Passanten für seine ausgefallenen Koffermodelle ihren Schritt verlangsamen und näher kommen, um sie hinter der Scheibe besser sehen zu können, lässt sich immer an den Stirnabdrücken an der Schaufensterscheibe ablesen. „Das poltert manchmal ganz schön.“