Grefrath Stolpersteine: Stille auf dem Bergerplatz
Der Künstler Gunter Demnig hat am Mittwoch vier kleine Mahnmale gegen das Vergessen ins Grefrather Pflaster gesetzt. Rund 200 Menschen, darunter viele Schüler, nahmen an der Aktion teil.
Grefrath. Der Journalist Leif Möller war mit seiner Ehefrau Marianne aus dem schwedischen Ystad an den Niederrhein gekommen. Seit geraumer Zeit sucht er nach Spuren der jüdischen Familie Willner. Eine Verwandte dieser Familie ist die heute 89-jährige Else Möller, die in Essen wohnt. Sie ist die Enkelin von Isidor Willner, die Vorfahren wohnten schon 1850 in Grefrath.
Die Willners und Möllers waren 1933 nach Essen gezogen. Und dort verlegte der mit seiner Aktion international bekannte Künstler Gunter Demnig am vergangenen Montag sieben Stolpersteine für diese jüdischen Familien. Die kleinen Mahnmale erinnern an Menschen, die von den Nazis ermordet wurden. Vier weitere Steine folgten gestern auf dem Bergerplatz in Grefrath. Bis auf das Klopfen Demnigs war es dabei mucksmäuschenstill. „Beeindruckend und bewegend“, sollte ein sichtlich bewegter Leif Möller diese Zeremonie später nennen.
Etwa 200 Menschen hatten sich auf dem Bergerplatz versammelt, darunter auch Schüler der Sekundar- und der Liebfrauenschule. Einige der älteren Jugendlichen befassen sich schon länger mit diesem Thema. Seit mehr als zwei Jahren beschäftigen sie sich mit der Geschichte der jüdischen Familien, herangeführt durch die Pädagogen Irmgard Tophoven, Alfred Knorr und Jürgen Schwalk.
Auf dem Bergerplatz waren einige Stellwände platziert, mit Daten und Fakten über die Familie Frank, die einst an der früheren Bahnstraße 14 gelebt hatte. Schüler lasen aus den Lebensläufen von Emma, Jakob, Rosalie Frank und ihrem Verwandten Salomon Levy. Sie hatten unter anderem als Viehhändler und Metzger gearbeitet, ehe sie am 25. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und kurze Zeit später in der Gaskammer ermordet wurden. Zuletzt hatte Jakob Frank mit seinen Geschwistern in Grefrath eine Metzgerei betrieben.
Nicht nur Schüler waren zur Stolpersteinverlegung gekommen, sondern auch viele erwachsene Grefrather, darunter Vertreter des Heimatvereins und einige Kommunalpolitiker. „Wenn ich gewusst hätte, wie ergreifend das heute hier ist, hätte ich bestimmt im Gemeinderat anders gestimmt.“ Das sagte Grefraths Bürgermeister Manfred Lommetz gestern. Der Hintergrund: Lommetz war gegen diese Stolperstein-Verlegung gewesen, hatte von einer bedenklichen Erinnerungskultur gesprochen, wenn auf den Namen der Ermordeten beziehungsweise auf ihre Stolpersteine arglos herumgetreten werde: Gedenken ja, aber nicht auf diese Weise. Der Gemeinderat sah dies anders.
Die evangelische Pfarrerin Barbara Münzenberg sagte gestern: „Dies sind Mahnmale und bleibende Erinnerungen gegen das Vergessen.“ Der Leiter der Liebfrauenschule, Lothar Josten, war mit der Klasse 9c, der Arbeitsgemeinschaft „Stolpersteine“ und seinen Kolleginnen Heidi Dahl und Michaela Heydhausen gekommen: Auch am Mülhausener Gymnasium war und ist man nach wie vor bei der Recherche nach in Grefrath einst lebenden jüdischen Familien.
In einem ersten Schritt verlegten gestern Schüler nach der Aktion am Bergerplatz an einem Oedter Wohnhaus mit der Adresse Hochstraße 57 einen weiteren Stolperstein für Rosa Goldschmidt, die mit ihrem Bruder ein Manufakturwarengeschäft betrieben hatte. Als der Bruder starb und das Haus zwangsversteigert wurde, zog Rosa Goldschmidt nach Kempen. Am 11. Dezember 1941 wurde sie dort von der Gestapo abgeholt, ins Ghetto Riga deportiert und im Mai 1945 für tot erklärt.
Nach Angaben von Initiator Alfred Knorr ist offen, ob weitere Aktionen folgen werden. Grundsätzlich sei zwar die Verlegung weiterer zehn Stolpersteine möglich, allerdings läge derzeit das Einverständnis der Eigentümer nicht vor.