Kempen/San Diego Von San Diego in die alte Heimat

Ursula Darby zog vor Jahrzehnten nach Kalifornien. Kürzlich kam sie an den Niederrhein.

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Kempen/Mülhausen. „Ich erinnere mich noch gut daran, wie früher an der Vorster Straße, wo wir gewohnt haben, die Traktoren mit ihren Anhängern voll mit Kappes zur Sauerkrautfabrik gefahren sind. In der Kurve haben sie dann auch Köpfe verloren. Die haben die Mädels dann schnell in ihren Röcken versteckt und nach Hause gebracht.“ Die Mädels, dass waren vier Schwestern, die mit ihrer „Beute“ den Speiseplan der insgesamt elfköpfigen Familie von Wilhelm Hamacher bereicherten.

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Das fünfte Mädchen — es gab noch vier Jungs — der Familie ist Ursula, die seit dem Dezember 1964 den Nachnamen Darby trägt und von ihrem Mann Joe nach San Diego „entführt“ wurde. Ursula Darby besucht zurzeit in Deutschland ihre Familie (ihr Bruder Heinz wohnt noch in Kempen) und gönnt sich eine Auszeit in der Abtei Mariendonk.

„Ich erinnere mich auch noch an meine Lehrerin Fräulein Bohm in der vierten Klasse in der Volksschule.“ Sie habe ihr eine Sonderstellung in der Klasse gegeben, da sie „als Bohnestange und Stotterin“ gehänselt wurde. Am Stottern konnte die Lehrrein etwas ändern. Sie ließ ihre Schülerin Gedichte aufsagen. „Der Rhythmus hat mir geholfen und das viele Singen zu Hause“, sagt die 77-Jährige. Sie war Fräulein Bohm so dankbar, dass sie ihr Jahre später ihren Mann vorgestellt hat.

Eigentlich habe sie nach dem Abitur in die Mission gehen wollen, erzählt Ursula Darby. Dazu hat sie an den Uni Kliniken in Köln Krankenpflege gelernt. „In Kempen am Hospital habe ich an den Sonntagen im Sozialdienst gearbeitet.“ Nach ihrem Abschluss ist sie dann nach Würzburg gefahren, wo sich „Missionsschwestern aus aller Herren Länder“ trafen.

Und dort habe sie in Gesprächen festgestellt, dass ihr ein wichtiger Ausbildungsteil fehlte: eine Geburt zu leiten. Darby: „Denn die Schwestern berichteten, dass oft kein Arzt vor Ort wäre und das nächste Krankenhaus 500 Kilometer entfernt ist, so dass die Schwestern gefragt sind.“

Um die Zeit bis zur Hebammenprüfung zu überbrücken, habe ihr ihr Vater — übrigens Leiter der Kempener Landwirtschaftsschule — vorgeschlagen, sich in der Fürsorge umzusehen. „Es gab in Düsseldorf eine Sozial-Fachschule, an der man eine Ausbildung zur Sozialarbeiterin machen konnte. Das war ganz neu damals.“

Im Zuge dieser Ausbildung hat die Kempenerin dann an der Uni Klinik in Köln mit emotional gestörten Kindern gearbeitet.

In Köln habe sie damals gewohnt und eine Kollegin habe sie dazu gebracht, 1964 als Blumenmädchen verkleidet einen Karnevalsball in Deutz zu besuchen. Und wie sie dann dort so stand und ihre Freundin gesucht habe, „hat mir ein Mann auf die Schulter geklopft und sich als Joe Darby vorgestellt“. Der Jura- und Linguistik-Student hatte ein Fulbright Stipendium für Deutschland. Im Dezember 1964 läuteten die Hochzeitsglocken in der Benediktiner-Abtei Maria Laach in der Eifel.

„Mein Mann konnte Russisch, Deutsch und Französisch“, erzählt Ursula Darby. Was ihm, seiner Frau und auch den vier Kindern Besuche im Ausland ermöglichten. „Wir haben zwei Sabbaticals in Frankreich zusammen gemacht. Mein Mann hat unter anderem in Straßburg an der Internationalen Fakultät mitgemacht, in Saarbrücken am Europainstitut gelehrt. Dazu hat er in Moskau, im belgischen Leeuwen und in Alexandria in Ägypten unterrichtet. Da waren die Kinder nicht dabei. Dort habe ich ihn aber immer besucht, wenn es möglich war“, blickt Ursula Darby auf ein bewegtes Leben zurück.

2013 ist ihr Mann, der elf Jahre älter war als sie, an ALS gestorben. Die tückische Krankheit wurde erst ein paar Monate vor seinem Tod festgestellt. „Darüber bin ich froh“, sagt seine Witwe. Um an seinem fünften Todestag besonders an ihren Mann zu denken, ist sie in diesem Jahr auch in der Abtei Maria Laach gewesen.

Nach Mariendonk zog es Ursula Darby in diesem Jahr nicht zum ersten Mal. „Hier nehme ich eine Auszeit, kann durchatmen und Kraft schöpfen.“ Denn die Mutter von vier Kindern und Oma von elf Enkeln muss sich in San Diego um eine Tochter und deren fünf Kinder kümmern, da alle gesundheitliche Probleme haben.

Auf die Frage, warum sie nach 50 Jahren in den USA immer noch akzentfrei Deutsch spricht, hat Ursula Darby eine Erklärung: „Jeden Mittwoch um 7 Uhr morgens rufe ich meine Schwester in Erkelenz an. Dann ist es dort Zeit, Kaffee zu trinken. Und jeden Mittwoch kommen meine anderen Schwestern aus Aachen und aus Düsseldorf — eine ist leider schon gestorben — ebenfalls dorthin. Manchmal sogar noch mein Bruder aus Brüggen-Born.

Dann haben sie in Erkelenz den Kaffeetisch schön gedeckt und ich rufe an. Dann rede ich mit jeder von meinen Schwestern und wir haben immer viel Spaß.“