Immobilien Wer will das „Märchenschloss“ in Kempen?

Eine kostspielige Burgsanierung durch die Stadt ist unwahrscheinlich. So wird der Ball wohl bald im Feld privater Investoren liegen.

Foto: Kurt Lübke

Kempen. Reaktionen in Form von Fragen oder Wortbeiträgen gab es zwar nicht. Die Blicke und leisen Zwischen-Kommentare während des Vortrags über die Machbarkeitsstudie zur Kempener Burg reichten aber schon, um zu wissen, dass die Ratsfraktionen ernüchtert sind. Wie bereits berichtet, müsste die Stadt Kempen rund zehn Millionen Euro ausgeben, wenn sie die Burg vom Kreis Viersen übernehmen und dann nach eigenen Wünschen sanieren würde. Das Standesamt, ein gastronomischer Betrieb, die VHS des Kreises als Hauptmieter und Räume für Sitzungen und Empfänge sollen in der Burg entstehen. So war die Vorgabe der Stadt an das Beratungsbüro Assmann aus Dortmund. Dessen Projektleiter Jost Dewald präsentierte nun die Studie im Rat.

„Grundsätzlich ist ein Umbau nach Ihren Wünschen möglich“, so Dewald. Das war es aber mehr oder weniger schon mit den guten Nachrichten. Große Investitionen in den Brandschutz seien ein Teil des Zehn-Millionen-Paketes, das die Stadt schnüren müsste. Denn: „Derzeit haben wir in der Burg einen einzigen großen Brandabschnitt“, so Dewald. Viele Bereiche würden modernen Vorschriften nicht mehr entsprechen. Und weil durch die VHS und einen gastronomischen Betrieb deutlich mehr Menschen in der Burg wären als jetzt (Kreisarchiv), müsse viel Geld in die Hand genommen werden.

Der Experte aus Dortmund wies zudem darauf hin, dass die 50 000 Euro teure Analyse noch nicht tiefgreifend sei. Es gebe weiterhin Unwägbarkeiten, weil man den Zustand der Bausubstanz erst nach dem Auszug des Kreisarchivs (2020/21) feststellen könne. „Wie zum Beispiel der Zustand der vielen Holzbalken ist, das kann man erst nach dem Freizug sehen“, so Dewald. Bislang sei lediglich klar, dass es eine „große Einschränkung bei der Tragfähigkeit der Decken“ gebe.

„Ein Märchenschloss“ — diesen leisen Zwischenton hörte man während des Vortrags ob der umfangreichen und teuren Sanierungen aus Reihen der Fraktionen. Diese wiederum müssen nun in den kommenden Wochen in sich gehen. Am 6. Februar soll in einer Sondersitzung des Rates ein endgültiger Beschluss gefasst werden, ob Kempen das Burg-Risiko eingeht oder nicht.

Seitens der stärksten Fraktion gab es am Mittwoch eine eher defensive Pressemitteilung: „Die CDU-Fraktion wird in den nächsten Wochen sehr intensiv beraten, ob eine Übernahme der Burg in Kenntnis des nun vorliegenden Fachgutachtens weiterverfolgt werden soll.“ Die Christdemokraten glauben weiterhin, dass die städtische Übernahme Chancen bietet, über die tatsächliche Nutzung entscheiden zu können. „Es war uns aber immer klar, dass dies zunächst Wunschdenken ist und eine Entscheidung letztlich und seriös erst nach Vorliegen einer aussagekräftigen Kostenschätzung erfolgen kann“, so die Mitteilung.

Chancen und Risiken will die CDU nun abwägen, macht aber deutlich, dass Kempen in den nächsten Jahren andere Großprojekte umsetzen müsse. Wie berichtet, müssen mehr als 50 Millionen Euro in Kitas, Schulen und die Rathaussanierung investiert werden. Angesichts dieser Pflichtaufgaben „bleibt zu prüfen und zu entscheiden, ob die Übernahme der Burg aus finanzieller und wirtschaftlicher Sicht verkraftbar und aufgrund einer zu erwartenden Verschuldung nachfolgenden Generationen gegenüber vertretbar ist“. Zur Meinungsbildung will die CDU die Bürger beteiligen. Meinungen sind per E-Mail willkommen: burg@cdu-kempen.de.

In der Haushalts-Pressekonferenz vor der Ratssitzung hielt sich Bürgermeister Volker Rübo auf Nachfrage zurück. „Wir haben jetzt eine belastbare Studie. Nun ist es eine Entscheidung des Rates“, so Rübo. Kurz zuvor hatten er und Kämmerer Jörg Geulmann der Presse die aktuellen Deckungslücken im Kempener Haushalt erläutert. Und ergänzt, dass die anstehenden Großinvestitionen noch gar nicht berücksichtigt sind.

Während sich Rübo noch zurückhielt, wurde die Position des Kämmerers schon deutlicher. „Angesichts der Fülle an zukunftsweisenden Aufgaben müssen wir uns ernsthaft fragen, ob sich die Stadt Kempen die Übernahme der Burg leisten kann“, so Geulmann.

Es scheint also mehr als fraglich zu sein, dass der frischgewählte Kempener Baudezernent Marcus Beyer sich ab Sommer mit städtischen Burgplänen beschäftigen wird. Vielmehr ist eine Tendenz zu einem privatwirtschaftlichen Engagement zu erkennen, wenn es denn konkrete Interessenten geben sollte. Und das ist nach Informationen der WZ der Fall.

Landrat Andreas Coenen (CDU) ließ sich gestern auf Anfrage nicht in die Karten schauen. Die aktuelle Diskussion müsse vorwiegend in der Stadt Kempen geführt werden. „Unterm Strich ist es aber wichtig, dass der Kempener Rat am 6. Februar eine Entscheidung trifft“, so Coenen. Nur so könne gewährleistet werden, dass die Burg nach dem Auszug des Archivs 2021 nicht lange leer steht.