Mehrheit für ein eigenes Jugendamt
Nach mehr als vier Jahren ist die Entscheidung gefallen. Im Stadtrat wurden noch einmal die unterschiedlichen Positionen deutlich.
Nettetal. Die Seenstadt bekommt ein eigenes Jugendamt: Mit 23 Ja- bei 20 Nein-Stimmen und einer Enthaltung hat sich der Nettetaler Stadtrat dafür am Donnerstagabend entschieden (die WZ berichtete am Freitag). Wie erwartet war dieses Thema das umstrittenste der dreieinhalbstündigen Sitzung im Lobbericher Rathaus. Entsprechend lange dauerte es: Eine Stunde verging, bis Bürgermeister Christian Wagner das Ergebnis der geheimen Abstimmung bekannt geben konnte.
Die Gegensätze wurden gleich zu Beginn deutlich. Hans Overhage (Aktive Bürger für Kaldenkirchen, ABK) beantragte eine geheime Abstimmung. Hajo Siemes hielt dagegen (Wir in Nettetal, WIN): „Das lehnen wir ab — wir sind für Transparenz in der Politik.“ Geschlossen stimmten ABK und CDU für geheime Abstimmung — und überstimmten damit SPD, FDP, Grüne und WIN.
„Diese Entscheidung ist von herausragener Bedeutung für die Stadt“, eröffnete Christian Schürmann (SPD, 9 Stimmen), den Reigen der Wortmeldungen. Er unterstrich, dass die SPD geschlossen für ein eigenes Jugendamt stimmen werde.
Günter Werner (CDU, 21 Stimmen) wies erneut auf die finanziellen und organisatorischen Risiken bei der „schwierigen, kaum noch umkehrbaren Entscheidung“ hin. Und kündigte erneut an: „Die CDU wird mit großer Mehrheit ablehnen.“
„Ein finanzielles Risiko ist doch bei beiden Modellen gegeben“, sagte Hans-Willy Troost (FDP, 4 Stimmen, weil Sabine Lunau als Mitarbeiterin des Kreis-Jugendamts nicht teilnahm). Und warb mit einer überraschenden Idee für ein eigenes Jugendamt: Wenn Nettetal tatsächlich wie behauptet für einen Großteil der Kreisumlage für das Jugendamt verantwortlich sei, dann sei es doch ein Akt der Solidarität den beim Kreis-Jugendamt verbleibenden Kommunen gegenüber, wenn Nettetal aussteige. Dann müsse die Seenstadt alleine für die Kosten aufkommen, die es verursache. „Wer will, findet Wege. Wer nicht, findet Gründe“, sagte Troost — und kündigte ebenfalls an, für ein eigenes Amt zu stimmen.
Genau wie die Grünen (4 Stimmen). „Die Chancen sind sehr viel größer als die Risiken“, formulierte es Guido Gahlings. Mit den Steuerungsmöglichkeiten eines eigenen Jugendhilfe-Ausschusses habe es Nettetal selber in der Hand, die Risiken zu minimieren.
„Wir beziehen ganz klar Stellung gegen ein eigenes Jugendamt“, sagte Hans Overhage (ABK, 3 Stimmen). Die Situation werde durch ein eigenes Amt nicht verbessert.
„Wir wollen gestalten und nicht verwalten. Und das können wir im eigenen Jugendhilfe-Ausschuss“, sagte Hajo Siemes (WIN, 2 Stimmen).
Namentlich wurden die Ratsmitglieder aufgerufen, um in der äußersten Ecke des Ratssaals hinter einer Sichtblende ihr Kreuzchen zu machen. Um 19.28 Uhr konnte der Bürgermeister ein Ergebnis bekannt geben, das ganz in seinem Sinne lag. Schließlich gehört für Christian Wagner ein eigenes Jugendamt zu einer familienfreundlichen Stadt, zu der er Nettetal machen will.