Viel Bedarf in Nettetal Labré-Haus will noch mehr Hilfen für Wohnungslose bieten
Nettetal-Kaldenkirchen · Ein Dach über dem Kopf für die Nacht finden Wohnungs- und Obdachlose in Kaldenkirchen schon lange in der Notschlafstelle. Die Sozialarbeiter würden gerne auch tagsüber ein Angebot machen. Mit einer neuen Leiterin des Hauses kamen neue Projekte.
Notlagen kennen keine Uhrzeiten. Und so ist es in der Notschlafstelle an der Bahnhofstraße in Kaldenkirchen Alltag, dass ein Mann oder eine Frau um 21 Uhr oder auch noch zwei oder drei Stunden später klingelt und um einen Platz zum Schlafen bittet. Die Not ist unterschiedlich groß: Die eine mag zwar ihre Wohnung verloren haben, aber öfters noch irgendwo bei Bekannten unterkommen – zu welchen Bedingungen auch immer –, ein anderer hat jegliches Obdach verloren und lebt dauerhaft auf der Straße. Fünf Betten für Männer, drei für Frauen – das ist die Grundausstattung. Doch vor allem in der kalten Jahreszeit reicht die oft nicht aus. „Dann haben wir noch einen Flur und Isomatten“, sagt Sabine Nießen. Die Diplom-Sozialarbeiterin hat die im Mai die Leitung des Benedikt-Labré-Hauses an der Bahnhofstraße und damit auch die Leitung der dort angegliederten Notschlafstelle übernommen. Und sie hat Pläne.
Über ein Vorhaben ist sie bereits mit der Stadt Nettetal im Gespräch. Die Notschlafstelle wird im Auftrag der Stadt betrieben. Denn Kommunen sind verpflichtet, Menschen, die kurzfristig ihre Wohnung verlieren, eine Unterkunft zu verschaffen. Ein paar mehr solcher Plätze für das Notschlafstellen-Angebot wären hilfreich. Aber angesichts des Mangels an preisgünstigem Wohnraum in Nettetal nur schwer zu finden. Kurzfristig wohl eher machbar: Nießen und ihr Team würden gerne auch einen Raum schaffen, in denen sich Wohnungs- und Obdachlose tagsüber aufhalten können.
Denn die Notschlafstelle ist zwischen 18 Uhr und 9 Uhr geöffnet – als Platz zum Übernachten halt. „Danach müssen die Leute wieder auf die Straße“, sagt Nießen. Ein Aufenthaltsraum für tagsüber wäre hilfreich. Nicht nur als Dach über dem Kopf, sondern auch womöglich als zusätzliche Chance, mit den Besuchern ins Gespräch zu kommen. Mit der Stadt sei darüber schon gesprochen worden. Die Frage sei, ob ein solcher Raum im Haus eingerichtet werden kann oder ob vielleicht ein Wohncontainer her muss, sagen Nießen und Frank Brünker, Vorstand des Rheinischen Vereins für Katholische Arbeiterkolonien, der Betreiber des Labré-Hauses und Nießens Arbeitgeber ist.
Ein solcher Tagestreff würde ein Angebot ergänzen, das in mehreren Stufen in ein normales Leben zurückführen soll. Über die Notschlafplätze für akute Fälle hinaus bietet der Rheinische Verein im Labré-Haus 33 Wohnplätze, in denen die Klienten längere Zeit untergebracht werden können, um sich Schritt für Schritt an einen geregelten Alltag zu gewöhnen. Nächste Stufe: In Dülken hat der Verein ein Haus mit Wohnungen, die er an Klienten vermieten kann und in dem er immer noch eine ambulante Betreuung anbieten kann.
Informieren über Hilfen, die aus der Notlage herausführen können, solche Hilfen koordinieren und Klienten begleiten – auch das gehört zum Alltag der Sozialarbeiter in Kaldenkirchen. Sie haben ein Netzwerk mit Institutionen wie Sozialamt, Drogen- und Schuldnerberatung geknüpft, um möglichst viele Facetten einer Notlage bearbeiten zu können. Die Sucht nach Alkohol und härteren Drogen spielt bei manchen Klienten eine Rolle. Doch das sei nicht das Problem, das am häufigsten dazu führe, dass Menschen aus der Mehrheitsgesellschaft herausfallen und schließlich obdachlos werden, sagt Nießen. „Überschuldung“, sei in dieser Hinsicht das größte Problem.
Um dem Problem, dass ein Mensch in eine solche Abwärtsspirale gerät, auch vorbeugen zu können, macht das Labré-Haus seit Kurzem ein offenes Beratungsangebot für Menschen in schwierigen Lebenslagen. Diese können an bestimmten Terminen zu einem Frühstück kommen und sich dabei zu ihren Problemen beraten lassen.
Zum Konzept des Rheinischen Vereins gehört ein dritter Baustein: wieder in eine Arbeit verhelfen. In Kaldenkirchen soll daher 2025 eine Fahrradwerkstatt eröffnen, in der Klienten Räder reparieren. Für die Kundschaft soll es eine günstig zu habende Dienstleistung sein, für die Mitarbeiter der Werkstatt ein erster Schritt, sich wieder an einen Tag mit einem geregelten Arbeitsablauf zu gewöhnen.