Nettetal Überraschender Überschuss

Nettetal · Nur die Drei-Mann-Fraktion WIN stimmte gegen einzelne Teile des 110 Millionen-Etats.

Nach Meinung der SPD-Fraktion sollte mehr für die Stadtbücherei getan werden.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

Es ist ein kleines Wunder: Aus der Lücke von 600.000 Euro, die noch im September für den städtischen Haushalt 2019 erwartet worden war, ist jetzt im Dezember ein Überschuss von 1,47 Millionen Euro geworden. Damit kletterte das auf rund 500 Seiten festgehaltene Zahlenwerk bei den Erträgen erstmals über 110 Millionen Euro. Seine Ursache hat das Wunder in einer geringeren Kreisumlage und in munter sprudelnden Quellen des Landes, das seine allgemeinen Zuschüsse noch einmal erhöhte. So war die Stimmung im Stadtrat entsprechend gut, wenn auch alle Sprecher zugleich mahnten, es bei den Ausgaben nicht zu übertreiben.

Nach Ansicht der CDU-Fraktion ist mit dem Haushalt 2019 „ein Spagat zwischen Mut und Vorsicht gelungen“, sodass ihr Sprecher Jürgen Boyxen „uneingeschränkt mit Freude und Stolz“ feststellte: „Die Finanzen Nettetals sind stabil.“ Das könne man ringsum nicht überall sagen. Auf dieser Basis ließen sich nach und nach zahlreiche Projekte aus dem Stadtentwicklungskonzept umsetzen, um Nettetals Infrastruktur weiter zu verbessern und den Ruf als attraktiven Wirtschaftsstandort zu festigen. Dazu zählen für Boyxen auch die aktive Förderung bezahlbaren Wohnraums, eine Verbesserung der Verwaltungsleistungen durch weitere Digitalisierung und ein schonender Umgang mit der Umwelt, denn „wir investieren in die Zukunft unserer Kinder“.

Boyxen sprach auch die „Verbesserung des Erscheinungsbildes unserer Stadt durch Intensivierung der Grünpflege“ an. Dafür sind 500.000 Euro mehr eingesetzt: „Wenn wir attraktiv bleiben wollen, müssen wir uns das etwas kosten lassen.“ Das gelte auch für die Verbesserung der Straßen, für die „zahlreiche und teure Maßnahmen“ schon beschlossen seien.

Über die erhöhten Zuweisungen aus Düsseldorf war die SPD-Fraktionsvorsitzende Renate Dyck nicht so erfreut, denn sie bedeuteten „Abhängigkeit vom Land“. Es komme auf die eigenen Steuereinnahmen an. Hier hatte sie 850.000 Euro Vergnügungssteuer entdeckt, 320.000 Euro mehr als im September. Das bedeute aber nicht, dass die Nettetaler vergnügungssüchtiger geworden seien: „Mehr Betriebe als angenommen mussten nach Prüfung nicht geschlossen werden und sind weiterhin vergnügungssteuerpflichtig.“ Bei den Ausgaben mahnte sie „überfällige Entscheidungen“ im Friedhofswesen an und forderte: „Die Anzahl der Friedhofshallen muss reduziert werden.“ Über einen Fortfall von Anliegerbeiträgen („Wir sind prinzipiell für die Abschaffung“) müsse allerdings noch nachgedacht werden. Bei aller Freude über die gute Finanzlage erinnerte sie an große Projekte: Sanierung Werner-Jaeger-Halle, Neubau Lehrschwimmbecken Breyell, Textilscheune Hinsbeck. Nach Meinung der SPD sollte mehr für die Stadtbücherei und die Sauberkeit der Stadt getan werden.

„Mit Augenmaß“ sollten Investitionen angegangen werden, mahnte Guido Gahlings (Grüne) und nannte die Sanierung der Werner-Jaeger-Halle; mit den veranschlagten Kosten von sechs Millionen Euro werde man nicht auskommen, doch wenn vor dem Komma eine acht erscheine, „dann ist für uns die Schmerzgrenze eindeutig überschritten“. Das gelte auch für die Sanierung der Pflasterflächen in der Breyeller Fußgängerzone, die nach Ansicht der Grünen nicht fachgerecht geplant sei. Für 2019 erwartet die Fraktion endlich ein Strategiekonzept für die Digitalisierung der Verwaltung und „richtig viel Dynamik“ bei kommunalen Aktionen zum Klimaschutz, damit man auch mal sagen könne: „Nettetal blüht, summt und brummt“.

Der FDP-Fraktionssprecher Hans-Willi Troost lobte die Poklitik der vergangene Jahre, in denen „auf finanziell belastende Wunschkonzerte“ verzichtet wurde, sodass jetzt Großbaustellen wie die Werner-Jaeger-Halle in Angriff genommen werden könnten. Als „tolle Leistung“ bezeichnete er die Aufstockung der Rücklage für Krisenzeiten auf 23 Prozent. Doch Gebot der Stunde sei es immer noch, Ausgaben auf ihre Notwendigkeit zu prüfen.

Seine Kritik an der Rathaus-Politik in diesem Jahr und die Begründung für die teilweise Ablehnung des Haushalts kleidete Hajo Siemes (WIN) in eine Kreuzfahrtschiffsreise und übte dabei heftige Kritik am „Kapitän Wagner“. Vor allem die Art und Weise, wie die Wahl des künftigen Ersten Beigeordneten Michael Rauterkus betrieben worden sei, missfiel ihm sehr und ist noch Gegenstand einer Beschwerde. Auch wegen der von ihm beobachteten Unruhe beim Rathaus-Personal forderte er: „Ein neuer Kapitän muss her!“

Nicht ganz so deutliche Kritik an der Personalpolitik kam auch aus anderen Fraktionen. Die SPD mahnte den Bürgermeister, „nicht mit dem Kopf durch die Wand zu gehen“. Die Grünen beklagten einen „bedenklichen Führungskräfteschwund“ und fragten nach den internen Ursachen. Auch die FDP fand es nicht gut, „wenn Verwaltung insgesamt nicht miteinander harmoniert, sondern mit sich selbst beschäftigt ist“. Für Wagner waren die Wechsel nicht ungewöhnlich; in Viersen wechselten sogar drei Beigeordnete, führte er an. Die Stadt habe in den vergangenen Jahren zahlreiche Persönlichkeiten gewonnen, um Verantwortung im Sinne seines Konzeptes auf mehr Schultern zu verteilen. Aus diesem Konzept brachen die Fraktionen zunächst einen Stein heraus: Über den vorgeschlagenen Verzicht auf eine Technische Beigeordnete oder einen Technischen Beigeordneten wollen sie noch gründlich nachdenken.