Nettetaler Heiko Lammertz ist Teil einer UN-Mission im Westsudan
Der 48-Jährige hilft dabei, Menschen zu schützen und Polizisten auszubilden. Außerdem möchte er eine zerstörte Schule wieder aufbauen.
Nettetal. Der Krieg in Darfur startete 2003. Theoretisch gab es ein Jahr später ein Friedensabkommen zwischen Regierung und Rebellen, praktisch ist in der Region im Westen des Sudan seit 15 Jahren Krieg. Noch nicht einmal die Vereinten Nationen (UN) nennt genaue Zahlen von Toten und Vertriebenen. Aber sie hilft in Darfur. Das UN-Mandat bezieht sich auf den Schutz der Zivilisten, besonders der Flüchtlinge, die aus ihren ursprünglichen Dörfern vertrieben wurden. Die Blauhelme überwachen die Einhaltung der Menschenrechte — und sie versuchen, dafür zu sorgen, dass die Menschen dort wieder selbst klarkommen.
In Tawilla im Jebel-Marra-Gebirge sind neben den UN-Soldaten auch 30 Polizisten aus aller Welt vor Ort. Sie bilden die dortige Polizei aus, sorgen dafür, dass Polizisten wieder „Freunde und Helfer“ sind — und auch von der Bevölkerung als solche gesehen werden. Deutschland ist das einzige europäische Land, das sich an dieser UN-Mission beteiligt — mit sieben Personen. Zwei davon sind Heiko Lammertz (48) und Toni Kirchmair (58). Lammertz arbeitet als Polizist in Mönchengladbach, der Nettetaler war von 2006 bis 2016 bei der Viersener Polizei. Kirchmair kommt vom Polizeipräsidium in Köln. Beide sind erfahren, was UN-Missionen angeht.
Heiko Lammertz ist zum vierten Mal unterwegs, Kirchmair zum fünften. Für Lammertz gehen gerade ein paar Tage Urlaub bei seiner Frau und seinen beiden Söhnen in Nettetal zu Ende. Es war die erste Reise in die Heimat, seit er im November 2017 nach Tawilla ging. 1999 war er im Kosovo, später in Afghanistan, vor gut drei Jahren im Südsudan. Obwohl das — für afrikanische Verhältnisse — gar nicht so weit von seinem jetzigen Einsatzort entfernt ist, liegen Welten dazwischen, berichtet er. Im Südsudan konnten sich die UN-Mitarbeiter relativ frei bewegen, in Darfur können sie hingegen nur im Militärkonvoi mit Schutzwesten unterwegs sein.
Lammertz und seine Polizeikollegen leiten parallel Projekte des Vereins „Lachen Helfen“. Deutsche Soldaten und Polizisten, die sich an friedenssichernden Missionen beteiligen, haben das Elend vor allem der Kinder gesehen. Deshalb gründeten sie 1996 diesen Verein. Auch für Darfur haben Lammertz und Kirchmair schon ein erstes Projekt gefunden. Sie wollen die „Secondary Boy School“ in Tawilla wieder aufbauen. Auch wenn sie diesen Namen trägt, gehen dort nicht nur Jungen zur Schule, und sie ist auch keine reine weiterführende Schule. 550 Kinder lernen dort von der ersten Klasse an.
Die Schule wurde im Krieg stark zerstört. In der Regenzeit, die Anfang August beginnt, gibt es keinen Schutz, kein Dach. Die Wände haben Einschusslöcher, als Toilette dienen zwei Löcher in der Erde, es gibt einen kleinen Wassertank. Trotzdem nehmen die Schüler jeden Tag mehrstündige Fußmärsche in Kauf, um lernen zu können. Allen ist die Schule wichtig — auch den Eltern, obwohl sie jede helfende Hand ihrer Kinder auf den Feldern und beim Holzsammeln gut gebrauchen können. Aber sie wollen, dass ihre Kinder gut ausgebildet werden.
Der Name „Deutschland“ hat in Darfur einen guten Klang. „Aber nicht wegen offener Grenzen“, sagt Heiko Lammertz mit Nachdruck, sondern weil Deutschland dafür bekannt sei, zu helfen. Von den 150 000 Flüchtlingen, die in Tawilla betreut werden, träume niemand von einer Ausreise nach Deutschland. „Die Menschen wollen in der Heimat bleiben, sie lieben ihr Land, aber sie hätten gern mehr Hilfe dort“, erklärt der Polizist. 8500 Euro werden nötig sein, um die Schule wieder aufzubauen. Der Verein „Lachen Helfen“ will das übernehmen, ist aber dafür auf Spenden angewiesen. Schon bald soll Baubeginn sein, damit die Kinder zur Regenzeit Schutz und Toiletten haben.
Lammertz hat bereits einen zweiten Brennpunkt entdeckt: das Krankenhaus von Tawilla. Für die 150 000 Menschen stehen dort nur zwei Betten zur Verfügung. Eins für die Wöchnerinnen, eins für die Kranken. Aufgrund der katastrophalen hygienischen Verhältnisse sterben Menschen, denen eigentlich geholfen werden könnte.