Viersen tanzt zu Eier mit Speck
Die zwölfte Auflage des Festivals hatte von Reggae bis Punkrock wieder alles im Repertoire.
Viersen. Wenn sich Chefs heute in Viersen und Umgebung wundern, dass Mitarbeiter etwas heiser sind, wird das daran liegen, dass sie am Wochenende laut mitgesungen haben — und das drei Tage lang. Nach einem begeisternden Festivalauftakt am Freitag hatten Musikfans am Samstagmorgen wenig Zeit, um in die Gänge zu kommen.
„Smash Hit Combo“ forderten den Besuchern von „Eier mit Speck“ schon kurz nach dem Frühstück alles ab. So hatten „Elfmorgen“ im Anschluss leichtes Spiel mit der Masse: Die Band ließ mit nach eigener Einschätzung „krachlautem Unfug“ keine Wünsche offen. Wie „Elfmorgen“ waren auch „Montreal“ nicht zum ersten Mal da. Vor sieben Jahren war die Band schon zu Gast, jetzt durften die Viersener erneut zu poppigem deutschsprachigen Punkrock abtanzen. Mit einem derart aufgeheizten, glücklichen Publikum hatte Popsängerin Alice Merton im Anschluss leichtes Spiel. Immer mehr Besucher strömten herbei, um sich „die mit dem einen Lied“ anzuhören — und blieben verzückt stehen, um der eindringlichen, klaren Stimme dieser musikalischen Fee zu lauschen.
Zur Einstimmung auf den Samstagabend wurden die Mönchengladbacher Powerrocker „Motorjesus“ gebührend abgefeiert. Für den aufmunternden Zuspruch der Massen gab es als standesgemäßen Dank AC/DCs „T.N.T.“ — alle zufrieden. Dass die anspruchsvollen, komplexen Kompositionen des „Devin Townsend Projects“ nicht in artifizieller Schönheit zugrunde gehen, ist das Verdienst seines Namensgebers. Townsend schlägt das Publikum im Nu in seinen Bann. Eloquent, humorvoll, musikalisch souverän, dazu mit dem nötigen Quantum Selbstironie operierend veredelt er das vermeintlich sperrige Genre Industrial Progressive Metal zur livemusikalischen Delikatesse.
Ob es wirklich Sinn macht, Robbie Williams’ „Angel” als Rockabilly-Version zu covern? Einen Tick plausibler fühlt sich da schon der Backstreet-Boys-Gassenhauer „Everybody” an. Wie auch immer: der Zweck heiligt bei „The Baseballs“ die Mittel. Jedenfalls wurden die Rock’n’Roll-Tollenträger zum Samstagabend-Abschluss vom bekanntlich feierfreudigen Publikum bejubelt.
Mit einem „Circle Pit” zum späten Frühstück begrüßten die Berliner Punkrocker „Smile And Burn“ den sonnigen Sonntag. Es folgte womöglich die musikalische Entdeckung des dritten Festivaltages: Die australischen Zwillinge Pierce Brothers vermischen furcht- und respektlos Folk mit Punk, bauen Bluesharp ebenso ein wie Didgeridoo. Als Schlagzeug-Ersatz fungieren mal der Bühnenboden, mal der Korpus der gerade bespielten Akustikgitarre. Mit diesen eher archaischen musikalischen Mitteln kreieren die Brüder einen verblüffenden Groove mit eigenständiger Note. Mit „Swiss und die Andern“ aus St. Pauli folgte eine umjubelte Abrissparty erster Güte, veredelt durch klare politische Haltung. Wahrlich „keine belanglose Musik”, wie Swiss zurecht feststellte.