Gebühren im Kreis Viersen Hohe Abwassergebühren: Aufruf zum Widerspruch

Kreis Viersen. · Der Bund der Steuerzahler und der Verband Wohneigentum NRW laufen Sturm gegen die Abwassergebühren. Vorwurf: Die Kommunen machten sie teurer als nötig. Musterprozesse sollen noch in diesem Jahr Klarheit bringen.

 Das Viersener Kanalnetz (hier: Freiheitsstraße) hat aktuell einen Wert von rund 120 Millionen Euro.

Das Viersener Kanalnetz (hier: Freiheitsstraße) hat aktuell einen Wert von rund 120 Millionen Euro.

Foto: Nadine Fischer

Berechnen die Städte und Gemeinden im Kreis Viersen ihren Bürgern zu hohe Abwassergebühren? Davon sind der Bund der Steuerzahler, Haus & Grund NRW und der Verband Wohneigentum NRW überzeugt und unterstützen Musterprozesse gegen die Gebührenbescheide mehrerer Kommunen. Beide Einrichtungen rufen die Gebührenzahler auf, Widerspruch gegen den aktuellen Gebührenbescheid ihrer Kommune einzulegen. Hat eine der beiden Musterklagen Erfolg, könnte es Geld zurückgeben – aber nur für die Bürger, die Widerspruch eingelegt haben.

„Die Kommunen erheben auch heute noch Zinssätze, wie sie vielleicht vor 15 Jahren noch angemessen gewesen wären“, kritisiert Michael Dröge vom Vorstand des Verbands Wohneigentum NRW. „Heute aber wirken diese Aufschläge wie aus der Zeit gefallen und dienen nach unserer Auffassung nur noch als zusätzliche Einnahmequelle.“

Im Kern geht’s um fiktive Einnahmeverluste, die die Städte und Gemeinden dem Gebührenzahler ganz real in Rechnung stellen. Die Grundidee: Statt das Geld fürs Kanalnetz auszugeben, hätte die Stadt das Geld ja auch aufs Sparbuch bei der Bank bringen können und dafür Zinsen kassiert. Diese entgangenen Zinsen dürfen die Kommunen dem Gebührenzahler in Rechnung stellen. Und von dieser Möglichkeit machen auch alle Städte und Gemeinden im Westkreis Gebrauch.

„Seit 2016 gibt’s auf das Sparbuch aber gar keine Zinsen mehr“, sagt Harald Schledorn vom Bund der Steuerzahler NRW. „Wir halten die Zinssätze der Städte und Gemeinden für viel zu hoch.“ Denn mittlerweile, so Schledorn, machten diese kalkulatorischen Zinsen den größten Teil der Abwassergebühren aus. Dabei geht es um Millionenbeträge. Beispiel Viersen: Das Kanalnetz hat einen aktuellen Gesamtwert von rund 120 Millionen Euro. Würde die Stadt einen Zinssatz von einem Prozent zugrundelegen, müssten die Gebührenzahler allein in diesem Jahr 1,2 Millionen Euro kalkulatorischen Zins bezahlen. Allerdings berechnet die Stadt Viersen in ihren aktuellen Gebührenbescheiden nicht ein Prozent Zinsen, sondern 5,12 Prozent. Damit liege die Stadt noch unter dem Richtwert der Gemeindeprüfungsanstalt, erklärt Stadtsprecher Frank Schliffke.

Dass die Städte und Gemeinden durchaus Gestaltungsspielraum bei der Höhe der Zinssätze haben, zeigt ein Vergleich: Die Stadt Nettetal berechnet den Gebührenzahlern 5,42 Prozent – der höchste Wert, der nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf gerade noch zulässig ist. Auch die Burggemeinde Brüggen setzt diesen Wert bei den Abwassergebühren an. Billiger für die Gebührenzahler ist es in Schwalmtal. Dort wird mit einem Zinssatz von 5,0 Prozent kalkuliert, wie Dirk Lankes, Vorstand der Schwalmtalwerke AöR, erklärt. Und am preiswertesten für die Gebührenzahler ist es in der Gemeinde Niederkrüchten: Sie hat als kalkulatorischen Zinssatz bei der Berechnung der Abwassergebühren 4,0 Prozent festgelegt.

„Das ist immer noch viel zu hoch“, findet Schledorn. „Die Kommunen verwenden als Grundlage für ihre Zinssätze den Durchschnitt von Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere der letzten 50 Jahre – das ist vollkommen wirklichkeitsfremd.“ Realistisch seien allenfalls die Zinsen im Zeitraum der letzten zehn Jahre, maximal der letzten 30 Jahre.

Noch in diesem Jahr rechnet Schledorn mit einem Urteil im Musterverfahren, das der Bund der Steuerzahler vor dem Oberverwaltungsgericht Münster gegen die Abwassergebühren in Oer-Erkenschwick (Zinssatz: 6,52 Prozent) führt.