Moers Festival: Die musikalische Wundertüte

Das Moers Festival bot auch in seiner 39. Auflage viele Überraschungen. Doch trotz Besucherrekordes soll abgespeckt werden.

Moers. So viele Besucher gab es noch nie - sagt Reiner Michalke. "13 500 Besucher an allen Spielstätten", so der künstlerische Leiter des Moers Festivals am Montag bei der abschließenden Pressekonferenz.

Die 39. Auflage der 1972 als Jazz-Festival gestarteten Veranstaltung fand seit Freitagabend im Freizeitpark statt und bot wieder eine musikalische Wundertüte. Wie immer hatten die Zuhörer auf akustische Überraschungen gehofft - und wurden nicht enttäuscht. Aber auch Bewährtes und Bekanntes gehörte dazu.

So mancher Mensch macht sich mit 39 Jahren Gedanken über seine Zukunft, hofft auf ruhigere Fahrwasser. Das Moers Festival mit 39 Jahren Geschichte hingegen schaut nur auf das nächste Jahr. Und hofft, dass es in Zeiten der Krisen auch in Zukunft eine Existenzberechtigung hat. Vielleicht vorübergehend ja auch mit einer leicht verkleinerten Basis.

Sprich: Eventuell wird die Vier-Tage-Veranstaltung um den Montag gekürzt. Doch die politische Entscheidung steht noch aus. Sie soll am 30. Juni im Moerser Stadtrat fallen. "Das ist ein Kompromiss, mit dem ich leben kann, so lange der inhaltliche Kern nicht beschädigt wird", sagt Michalke.

Es gab viel Positives zu hören im Sechs-Mast-Zelt. Zum Beispiel das Quartett "Schneeweiss und Rosenrot" aus Berlin. Zu kraftvoller Musik von Piano, Schlagzeug und Bass gab es den mitunter etwas spröde klingenden Gesang von Lucia Cadotsch. Da tauchten Erinnerungen an Björk auf. Apropos eindringlicher Gesang: Siya Makuzeni setzte die Akzente bei Carlo Mombelli & The Prisoners of Strange - Mainstream-verdächtiger Jazz aus Südafrika ohne Ethno-Anleihen.

Große Erwartungen waren mit dem Namen Bill Frisell verbunden, einem der führenden Jazz-Gitarristen. Dabei zeigte der US-Amerikaner durchaus unterschiedliche Qualitäten. Beim musikalischen Treffen mit dem Geiger Eyvind Kang und dem Schlagzeuger Rudy Royston ging es kräftig zur Sache, spielten sich die beiden Saiten-Spezialisten Bälle und Töne zu.

Entsprechend begeistert zeigte sich das Publikum. Verhaltener war die Reaktion 24 Stunden später beim Duo mit dem norwegischen Trompeter Arve Henriksen. Allzu verhalten gingen die beiden miteinander um. Erst beim letzten Stück, einer wunderbar getragenen Version von Joni Mitchells "Both sides now", war alles wieder gut.

Wer in Erinnerungen schwelgen mochte, der wurde mit Free Jazz von Peter Brötzmann und seinem Chicago Tentet, Rock-Jazz der Bergen Big Band und Terje Rypdal sowie den tiefsinnigen, aber kopflastigen Kompositionen des Grubenklang-Orchesters bedient. Vor allem der Wuppertaler Saxofonist Brötzmann war furios wie eh und je. Aber es war nicht pure Kraftmeierei des 69-Jährigen, sondern ein wunderbares Gewitter der Rhythmen und Töne.