Neues Verfahren: Zugucken beim Kaiserschnitt

Das AKH in Viersen hat als erstes Krankenhaus in Nordrhein-Westfalen ohne einen Sichtschutz für die Mutter operiert. „Kaisergeburt“ wird das genannt.

Viersen. Der kreidebleiche Vater auf der Geburtsstation ist ein Klassiker. Für besonders zartbesaitete Gemüter in der Region — so erscheint es zumindest auf den ersten Blick — könnten die Anforderungen an Magen und Kreislauf nun noch höher werden. Denn das Allgemeine Krankenhaus in Viersen, kurz AKH, hat nach eigenen Angaben als erstes Krankenhaus in NRW eine sogenannte Kaisergeburt durchgeführt.

Dabei handelt es sich um einen Kaiserschnitt ohne den ansonsten üblichen Sichtschutz. Sprich: Die Mutter kann, wenn sie nicht wegschaut oder die Augen schließt, den Eingriff live verfolgen.

Dafür wird der Kopf der Liegenden leicht angehoben. „Es war ergreifend“, sagt Martina Lübbe aus Tönisvorst, deren Tochter Amelie in der Frauenklinik des AKH auf diese Weise das Licht der Welt erblickte. Die junge Mutter ist „total begeistert, wie alles gelaufen ist“.

Die Rückennarkose mit vollständiger Betäubung der unteren Körperhälfte, das Öffnen der Baudecke und das anschließende Verschließen der Wunde ist exakt so wie beim Kaiserschnitt.

Nur wird im Moment der Geburt, das OP-Tuch zwischen Kopf und Unterleib der Mutter abgesenkt. Später — nach Abnabelung und erstem Kontakt mit dem Neugeborenen — wird der Sichtschutz dann wieder angehoben.

Die eine oder andere wird sich indes fragen, ob das Beobachten eines Kaiserschnitts am eigenen Leib nicht zu Unbehagen oder sogar Ekel führen kann. Laut Dr. Mathias Uhlig, Chefarzt am AKH, braucht aber niemand Angst zu haben, eine klaffende Wunde oder gar Blut zu sehen.

„Der Schnitt ist nicht groß und liegt so weit unten, dass der gewölbte Bauch der Schwangeren das auf jeden Fall verhindert.“ Demzufolge sind negative psychische Auswirkungen auf die Eltern nicht zu befürchten.

Im Gegenteil: Aus Uhligs Sicht sind die Folgen für Mutter und Kind nur positiv zu sehen: „Anders als beim normalen Kaiserschnitt wird sofort die Eltern-Kind-Bindung gefördert.“ Und die Mutter habe nicht das Gefühl, dass das Kind „aus dem Hut gezaubert“ werde, wie es ansonsten oftmals der Fall sei. „Das Geburtserlebnis ist viel stärker und persönlicher als bei einem normalen Kaiserschnitt.“

Allerdings sagt der Viersener Chefarzt auch, dass nicht jede Schwangere, bei der ein Kaiserschnitt geplant ist, eine Kaisergeburt erleben wird. Denn jede Frau sei anders. „In einem ausführlichen Vorgespräch klären wir mit den werdenden Eltern, welche Lösung für sie die beste ist.“