Viersen Vorfall in Viersener Kita: Doktorspiele oder Übergriff?
Viersen. · In einer konfessionellen Kita hat ein Kind drei kleine Mädchen gegen ihren Willen im Intimbereich berührt. Die Eltern werfen der Kita-Leitung Verletzung der Aufsichtspflicht und mangelnde Transparenz vor.
Es ist der Alptraum aller Eltern: In einer konfessionellen Kindertagesstätte in Viersen ist es zu sexuellen Übergriffen unter Kindern gekommen. „Unsere Tochter erzählte uns, dass ein Kind sie gegen ihren Willen und unter Drohung im Intimbereich angefasst hat“, berichtet ein betroffener Vater. „Außerdem erzählte unsere Tochter, dass er das nicht nur bei ihr gemacht habe.“ Insgesamt sind in der Viersener Einrichtung drei Mädchen zwischen drei und fünf Jahren von den sexuellen Übergriffen betroffen. Sie ereigneten sich im Freispiel. Wie Eltern übereinstimmend berichten, sei es üblich, dass sich einzelne Erzieherinnen in der Kita während des Freispiels mit ihrem Mobiltelefon befassten, statt auf die Kinder zu achten.
„Ich habe meine Tochter morgens in der Kita abgegeben, weil ich davon ausging, dass sie dort geschützt ist. Stattdessen haben die Erzieherinnen gegen ihre Aufsichtspflicht verstoßen“, sagt der Vater eines betroffenen Mädchens. „Es wurden disziplinarische Maßnahmen verhängt“, erklärt die Bistumssprecherin. „Für die Erzieherinnen in der Kita gilt jetzt ein Handyverbot, das mussten sie auch unterschreiben.“ Zudem wurde eine Erzieherin für die Aufsicht über das übergriffige Kind abgestellt. Da die Erzieherin derzeit erkrankt ist, ist das Kind vom Kita-Besuch beurlaubt.
Über den Umgang mit dem Vorfall gibt es unterschiedliche Auffassungen zwischen den Eltern und dem Kita-Träger. „Es gab keine offizielle Information der Kita-Leitung an alle Eltern, was vorgefallen ist“, kritisiert die Mutter eines anderen betroffenen Mädchens. „Wir haben den Eindruck, die Kita will das nicht klar ansprechen. So aber nimmt sie anderen Eltern die Möglichkeit, mit ihrem Kind zu reden“, sagt der betroffene Vater.
Eine Sprecherin des Bistums Aachen erklärte hingegen: „Es war der ausdrückliche Wunsch der Eltern der betroffenen Kinder, dass nicht über den konkreten Fall informiert wird, um die Kinder zu schützen.“ Das bestreiten die Eltern der betroffenen Mädchen. „Wir wollten es mit allen Eltern kommunizieren, ohne allerdings die Namen der betroffenen Kinder zu nennen.“ So steht es auch in dem Protokoll eines Gesprächs, das die betroffenen Eltern mit der Kita geführt haben.
Die Kita habe sofort nach Bekanntwerden Kontakt mit einer externen Beratungsstelle aufgenommen, betonte die Bistumssprecherin. Auch mit dem Jugendamt werde engmaschig zusammengearbeitet. „Beide haben empfohlen, den konkreten Fall nicht allen Eltern des Kindergartens mitzuteilen, um die betroffenen Kinder zu schützen“, so die Bistumssprecherin. Sie betonte: „Alle betroffenen Familien werden zurzeit intensiv begleitet. Zum einen durch die Sozialarbeiterin der Kita, zum anderen durch das Jugendamt und durch externe Beratungsstellen.“ Stadtsprecher Frank Schliffke erklärte, dass die Stadt zu Einzelfällen keine Auskunft gebe: „Das gebieten sowohl der Datenschutz als auch der Schutz der Persönlichkeitsrechte.“ Grundsätzlich aber lasse sich sagen: Jugendamt und Institution stünden während der Bearbeitung eines Vorfalls im ständigen Austausch. „Das Jugendamt bietet den Betroffenen individuelle Hilfen an“, so Schliffke. „Diese Hilfen können auch gemeinsam mit den Institutionen geleistet werden.“
„Es wäre schön, wenn es so wäre“, sagt die Mutter eines der betroffenen Mädchen. „Es gab ein Gespräch mit der Sozialarbeiterin der Kita, aber weder Jugendamt noch externe Beratungsstellen haben Kontakt mit uns aufgenommen und mal gefragt: ,Wie geht es Ihrer Tochter denn, können wir helfen?’ Wir fühlen uns allein gelassen.“
Die Kita hat für kommende Woche zu einem Info-Abend eingeladen. Eltern sollen einer Mitarbeiterin der Beratungsstelle „Zornröschen“ gegen sexuellen Missbrauch an Jungen und Mädchen Fragen stellen können wie „Was ist der Unterschied zwischen Doktorspielen und sexuellen Übergriffen?“. Weil der Anlass des Abends in der Einladung nicht ausdrücklich auftaucht, hat der Elternbeirat jetzt ein Ergänzungsschreiben an alle Eltern verteilt. „Wir möchten Sie darüber aufklären, dass in jüngster Vergangenheit sexuelle Übergriffe unter Kindern in unserer Einrichtung ... stattgefunden haben“, heißt es darin.