Von Schreiner zum Bestatter: Schüler lernen Betriebe kennen
Nettetaler Schüler konnten sich bei einem Praktikum mit der Arbeitswelt vertraut machen — 76 Betriebe öffneten dafür ihre Türen.
Nettetal. Laut zu lachen, traute sich niemand, doch ein Schmunzeln konnten sie sich nicht verkneifen: „Jeder Sarg wird höchstens einmal benutzt“, sagte Bestatter Michael Syben. Auf humorvolle und einfühlsame Weise erklärte er einer Hand voll Gesamtschülern im Ausstellungsraum mit den Särgen, dass ein Bestatter sich individuell um jeden Verstorbenen und die Trauernden kümmere. „Das ist echt interessant“, staunte Gökhan. Der Neuntklässler war angetan von den Einblicken in die Arbeitswelt, die der Tag der offenen Tür in Nettetaler Betrieben über 500 Schülern ermöglichte.
Urnen aus Metall oder biologisch abbaubar, verziert mit dem Lobberich Wasserturm oder einem Regenbogen — die Schüler staunten über die Vielfalt. „Ich wollte einfach mal wissen, was ein Bestatter so macht. Gut, dass ich hergekommen bin“, sagte Zoi. Ihr Mitschüler Lukas nickte: „Das ist mal was anderes hier.“ Einige der Jugendlichen hatten schon eine Beerdigung erlebt. Sie erfuhren im Haus der Begegnung von Bestattungen Robert Hellmann, was hinter den Kulissen abläuft, wenn jemand gestorben ist.
„Wir freuen uns, wenn Schüler sich interessieren“, sagte Syben. Manche fragten nach einem Praktikum. Das sei mit Einschränkungen möglich: „Wenn Trauernde zum Gespräch hier sind, dann muss alles vertraulich bleiben, deshalb ist ein Praktikum für Schüler bei uns höchstens im organisatorischen Bereich möglich.“
Dass sich nach einem Besuch am Tag der offenen Tür in einem Betrieb hinterher für einzelne Schüler ein Praktikum ergibt, das komme durchaus vor, in Einzelfällen sogar eine anschließende Ausbildung, hat Heike Rose erfahren. Für die Bildungskoordinatorin der Stadt Nettetal ist das ein Grund mehr, von einer Erfolgsgeschichte der jährlichen Aktion zu sprechen: „Die Bereitschaft der Betriebe aller Branchen ist sehr groß. Auf der anderen Seite ergibt sich für Schüler eine super Gelegenheit, die Arbeitswelt kennenzulernen.“
Eine Arbeitswelt voller Naturmaterialien wie Holz einerseits und hochmoderner Technik andererseits lernten Schüler des Werner-Jaeger-Gymnasiums in der Schreinerei Sötje in Kaldenkirchen kennen: „Wie kriegt der Kunde seinen Schrank?“, fragte Schreiner Michael Hild. Und erklärte als Antwort die einzelnen Arbeitsschritte von der Kundenberatung über die Planung am Computer bis zur Produktion.
Statt eines Schranks erlebten die Gymnasiasten die Herstellung hölzerner Fledermäuse: „Das hat der Chef sich ausgedacht, passend zu Halloween“, sagte Hild und ließ die Schüler mit Säge und Fräse hantieren. Passieren konnte nichts — sie mussten lediglich den roten Knopf an der computergesteuerten Anlage drücken: „Die Maschine misst genauer als ein Zollstock“, so Hild. „So ein Beruf könnte mich interessieren“, sagte Philip beeindruckt. Er möchte später „gern was Handwerkliches machen, am liebsten was mit Holz“.
Hölzern sind auch die meisten Särge im Bestattungshaus Hellmann. „Ahorn weiß pigmentiert wird zum Beispiel gern für Damen genommen“, erzählte Syben. Ob auch andere Farben möglich seien, wollte eine Schülerin wissen — Bestatter Syben: „Klar, und wenn ihr heute einen Sarg aussucht, ist der spätestens morgen fertig, bei einer Beerdigung hat es ja keinen Sinn, wenn man zwei Wochen auf einen Sarg warten müsste.“