Anne Gesthuysen war in Neersen zu Gast Eine Lesung gespickt mit Anekdoten

Neersen · Die Autorin Anne Gesthuysen las in Neersen aus ihrem neuesten Roman „Wir sind schließlich wer“ und würzte den Abend mit zahlreichen Einsprengseln aus ihrem Leben.

Anne Gesthuysen hat inzwischen vier Romane geschrieben, die am Niederrhein spielen.

Foto: Norbert Prümen

Ihr Mann habe früher nicht glauben können, dass sie tatsächlich mehrmals in der Woche zu einer Lesung aus einem ihrer Romane verschwinde, erzählte Anne Gesthuysen gut gelaunt im Schloss Neersen. „Wie heißt der Kerl?“ habe er gefragt. Da habe sie angefangen, ein Beweisvideo zu drehen. Wahr oder erfunden? Völlig egal. Mit diesen und vielen weiteren Einsprengseln aus ihrem Alltag würzte die Autorin von mittlerweile vier am Niederrhein spielenden Romanen den Leseabend in Neersen auf sehr sympathische Weise.

Anne Gesthuysen nahm ihr Handy und bat: „Sie rufen jetzt bitte mal alle ‚Hallo Frank‘ und winken!“ Und alle Zuhörerinnen und Zuhörer winkten lachend in die Kamera. Apropos Zuhörer: Gesthuysen freute sich. „Deutlich mehr Männer als beim letzten Mal“, stellte sie fest. „Immer noch Unikate, aber immerhin.“

Sie finde es unglaublich, dass sie tatsächlich schon mit ihrem vierten Band „Wir sind schließlich wer“ unterwegs sei, und erzählte von dem Erschrecken über die erste leere Seite, die es wie viele weitere zu füllen gebe. Dass ihr das (nicht ohne die Hilfe der Lektorin, wie sie betonte) gelinge, komme ihr jedes Mal wie ein Wunder vor. Ein Wunder, über das sich viele Leser freuen.

In 90 kurzweiligen Minuten erzählte Gesthuysen bei der von der Stadtbibliothek Willich organisierten Lesung aus ihrem Leben, ihrem Alltag als Mutter, Schwester und Tochter. Sie verwob diese Anekdoten wunderbar mit ausgewählten Szenen aus dem Roman „Wir sind schließlich wer“. Die Hauptfigur ist Anna von Betteray, eine geschiedene Pastorin, die in einem Ort am Niederrhein ihre neue Anstellung beginnt, darum kämpfen muss, von den Dorfbewohnern akzeptiert zu werden, mit ihrer Familie alte Konflikte austrägt und schließlich eine heftige Krise zu bewältigen hat.

„Die Geschichten kommen zu mir“, erklärt Gesthuysen. Die Figur der Pastorin basiere auf einer realen Person, die ihr nach der Beerdigung der Schwiegermutter viele Anekdoten erzählt habe. Noch eine Anekdote von einer Beerdigung gab Gesthuysen zum Besten, um das Schwarzhumorige des Niederrheiners zu beschreiben: Ihr Vater starb, ein Beerdigungsgast sagte zu ihrem Mann („Sie wissen, wer mein Mann ist? Frank Plasberg“, erinnerte Gesthuysen ihre Zuhörerinnen in Neersen): „Das mit Bernhard, das war hart, aber nicht fair.“

Diese Art von Humor findet Einlass in dem neuen Roman ebenso wie die im Dorf stets aktive Gerüchteküche. Fluch und Segen einer sozialen Kontrolle hat Anne Gesthuysen, aufgewachsen in Alpen, am eigenen Leib erlebt. Man ist nie unbeobachtet, andererseits, so Gesthuysen, kann die soziale Kontrolle auch dafür sorgen, dass man sich umeinander kümmert.

Heitere Passagen wechselten sich mit nachdenklichen ab – sowohl im Buch als auch in dem, was Gesthuysen erzählte. Denn die Krise im Buch kommt, die Schwester von Anna von Betteray verliert die Basis ihres Lebens. Auch ihr Sohn gerät in Gefahr. Anlass für Anne Gesthuysen, über ihren Bruder und darüber zu erzählen, wie Geschwister ein Leben prägen. Anlass, über ihr Mutterdasein zu reflektieren, den schmalen Grat zwischen „Ich will doch nur das Beste“ und Manipulation.

(b-r)