Bis es in den Ohren schmerzt

Thilo Seibel bietet tolle Mischung aus Kabarett und Polit-Comedy.

Bis es in den Ohren schmerzt
Foto: WZ-Archiv

Neersen. Der schmächtige 50-Jährige mit dem weißen Hemd, der schon vor 30 Jahren aus der Mode gekommenen äußerst schmalen Krawatte und dem kaum noch vorhandenen Haupthaar ist nicht der Typ, der auf den ersten Blick auf sich aufmerksam macht, geschweige denn begeistert. Aber Thilo Seibel versorgt nicht nur andere Kleinkünstler mit knackigen Texten, er verfügt auch selber über eine enorme Bühnenpräsenz. In der Motte von Schloss Neersen lud er jetzt zum Jahresrückblick ein. Sein Programm „Schon rum?!“ wollten nur rund 100 Besucher sehen — es hätte eine deutlich größere Resonanz verdient.

Thilo Seibel waren die Themen ins Auge gefallen, die unzählige andere Kleinkünstler auch in ihren Programmen haben. Trotzdem hebt sich Seibel aus der Masse hervor, bietet er doch eine unvergleichliche Mischung aus Polit-Comedy, Kabarett und Parodie.

Aufgefallen ist Seibel rückblickend natürlich nur, was ihm nicht gefällt. Und dabei scheint er aus dem Vollen schöpfen zu können, denn er wirft seine Erkenntnisse unters Volk wie ein Marktschreier seine Südfrüchte.

Ohne Frage: Auch wenn manche Themen langweilen mögen, weil sie immer und immer wieder „durchgekaut“ werden: Der kleine Seibel ist sehr unterhaltsam. Von der Me-too-Kampagne springt der Kölner zur sexuellen Gewalt in der EU - und parodiert sogleich Günther Öttinger, der angezeigt wurde wegen Vergewaltigung der englischen Sprache.

Donald Trump dürfte für Thilo Seibel allein aus beruflichen Gründen ein Glücksfall sein, es scheint, als könnte er diesem „unzurechnungsfähigen Rechtsradikalen“ ein ganzes Programm widmen. Das tut er zum Glück nicht, denn es gibt ja noch genug andere Verwirrte auf dieser schönen Erde wie den Diktator Kim Jong Un: Der „nordkoreanische Wonneproppen“ teile mit Trump „eine Schwäche für pittoreske Frisuren und Atomwaffen“.

Parodieren, bis es in den Ohren schmerzt: Thilo Seibel imitiert den Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmer mit einer an eine Kreissäge erinnernden Stimme — er tut es aus Wut vor der allzu großen Nähe des Grünen zur Autoindustrie. Auch zu den Plänen, neue „erdähnliche Planeten“ zu entdecken und auf ihre Bewohnbarkeit hin zu überprüfen, hat der pfiffige Kleinkünstler eine eigene Meinung: „Schlauer wäre es, unseren erdähnlichen Planeten zu erhalten“.

Was ihn angesichts von Transferzahlungen von zum Teil über 200 Millionen Euro für einen Fußballstar irritiert hat: Dass gerade der Auftritt von Helene Fischer bei einem Fußballspiel zu der Erkenntnis geführt hat, dass Fußball etwas mit Kommerz zu tun hat. rudi