Stadt Willich Langeweile kommt nicht auf
Mehr als 40 Jahre war Wolfgang Brock Lehrer. Ende des Monats geht er in den Ruhestand.
Neersen. 43 Jahre hat er unterrichtet. Doch am 31. Januar ist es damit (fast) vorbei: Wolfgang Brock geht in den Ruhestand. „Langeweile werde ich auch in Zukunft nicht kennen“, sagt der Lehrer für Physik, katholische Religion und Musik — und das liegt ganz bestimmt nicht an dem Bausatz für ein Vogelhäuschen, den ihm Ehefrau Agnes zu Weihnachten geschenkt hat.
Der 65-Jährige stammt aus Westfalen: In Recklinghausen geboren, in Herten Abitur gemacht, in Paderborn studiert — nichts deutete zu diesem Zeitpunkt auf einen Wechsel an den Niederrhein hin. Erst seine Frau hat ihn hierher gebracht: Agnes Brock studierte damals an der Fachhochschule in Mönchengladbach Bekleidungsfertigung, das junge Paar zog nach Rheydt — und Wolfgang Brock bekam seine erste Anstellung als Referendar an der Virmondschule in Neersen. Die Brocks, die noch in Studententagen geheiratet hatten, zogen an den Ortsrand und bauten später an der Kirchhofstraße ein Haus. Dort wohnen sie bis heute — und wissen die „Offenheit und Lebensleichtigkeit“ der Rheinländer zu schätzen.
Der Stadt Willich ist Wolfgang Brock als Lehrer stets treu geblieben: Bis 1989 arbeitete er an der Hauptschule in Neersen, dann wechselte er an die Johannesschule in Anrath. Begeistert berichtet er von der großen Dynamik, die es dort lange Zeit gab, von dem tollen Musikraum, der eingerichtet wurde. Nachdem feststand, dass die Hauptschule auslaufen wird, habe sich aber „Endzeitstimmung“ breitgemacht, weshalb Wolfgang Brock die Gelegenheit ergriff, im März 2017 ans Lise-Meitner-Gymnasium zu wechseln.
Ein Hauptschullehrer am Gymnasium — geht das überhaupt? „Eigentlich nicht“, sagt Wolfgang Brock und grinst. Doch nachdem Düsseldorf zunächst nein gesagt habe, sei dann doch die Zustimmung gekommen. Im neuen Kollegenkreis sei er sehr gut aufgenommen worden, an der Schule herrsche Aufbruchstimmung: „Vom ersten Tag an hat es richtig Spaß gemacht.“ Deshalb geht er jetzt auch mit einem lachenden und einem weinenden Auge in Pension. Immerhin: Sechs Stunden in der Woche wird er auch in Zukunft am LMG unterrichten.
Was ihn besonders freut: Die Schulpartnerschaft mit dem Gymnasium Smiltene in Lettland, die er an der Johannesschule aufgebaut hat, wird das Meitner-Gymnasium im April offiziell übernehmen. Das werde am gleichen Tag besiegelt, an dem auch der Vertrag zur Städtepartnerschaft zwischen Willich und Smiltene unterzeichnet wird. Die internationalen Kontakte der beiden Anrather Schulen hatte Brock drei Jahre lang zusammen organisiert.
„Musik ist das wichtigste Fach, denn Musik begleitet einen überall“, sagt der Lehrer überzeugt. Sprachprobleme könnten damit locker überwunden werden, was er auf seinen Auslandsreisen immer wieder erfahren habe.
Derzeit arbeitet er mit seinen Schülern an Songs von Mark Forster — Berührungsängste zur Pop-Musik kennt er nicht: „Ich will Spaß an der Musik vermitteln.“ Das wird Wolfgang Brock auch künftig tun: als Chorleiter im Christlichen Chorverein Neersen und des Kirchenchores St. Marien der Pfarre St. Remigius in Viersen.
Hat sich der Lehrerberuf verändert? „Der Beruf an sich nicht — die Schüler schon.“ Sie seien an Schnelllebigkeit gewohnt, es falle ihnen deshalb schwerer, die Konzentrationsfähigkeit für eine 45-Minuten-Stunde aufzubringen.
Die Schulen selbst seien immer größer geworden: An der Virmondschule gab es nur 200 Schüler, „da kannte man noch jeden auf dem Hof“. Und leider wohnten heute viele Lehrer wie auch Schüler nicht mehr am Schulort, was eine „Heimatlosigkeit“ zur Folge habe.
Fehlender Respekt der heutigen Schülergeneration sei dagegen kein Problem. „Schüler waren früher schon schlimm — auch ich war als Schüler schlimm“, sagt er lachend. Einen Erziehungsgrundsatz hat Wolfgang Brock als Lehrer beherzigt: „Ich muss nicht der Liebling meiner Schüler sein, sondern ihnen beibringen, im Leben klarzukommen.“ Wenn er heute ein früheres „Sorgenkind“ trifft, das Karriere gemacht hat, ist das für ihn die schönste Bestätigung.