Buch-Tipp der Stadtbibliothek Tönisvorst Ein Roman (auch) über den Umgang mit dem Tod

Tönisvorst · Carmen Alonso, die Leiterin der Tönisvorster Stadtbücherei, gibt unseren Lesern Literaturtipps. Diesmal: „Oben Erde, unten Himmel“ von Milena Michiko Flašar.

Carmen Alonso ist die Leiterin der Stadtbibliothek Tönisvorst.

Foto: Marc Schütz

Ich-Erzählerin Suzu, 25, ist zum Studium von ihrem japanischen Dorf in die Großstadt gezogen. Doch der Uni-Betrieb stresst die Introvertierte Frau, sie bricht im ersten Semester ab und arbeitet als Aushilfskellnerin. Dort lächelt sie diszipliniert die Besucher an, bis ihr der Kiefer schmerzt, und sehnt täglich den Feierabend herbei.

Eines Tages wird sie wegen mangelndem Liebreiz entlassen: „Essen auf den Tisch stellen reicht nicht aus!“ Doch die Miete will bezahlt, ihr pubertierender Goldhamster Punsuke weiterhin mit frischen Apfelscheibchen gefüttert werden; pragmatisch beginnt Suzu, sich ausschließlich auf Stellenangebote zu bewerben, wo kein Kundenkontakt gefragt ist. Da kommt eine der Firmen-Anfragen gelegen, und sie landet im Reinigungstrupp von Herrn Sakai.

Die Tätigkeit entpuppt sich als etwas speziell, sie wird Teil eines Teams von Leichenfundreinigern. Harte Fälle, wie Mordopfer, bleiben ihnen erspart, sie kümmern sich um „Kodokushi“ (zu Deutsch: einsamer Tod), Menschen, die allein in ihrer Wohnung verstorben sind und die erst Wochen später aufgefunden werden. Das bedeutet: Entrümpeln, Kisten schleppen, Wischen und Schrubben. Es braucht Geduld, Sorgfalt und einen robusten Magen (auch für den Lesenden).

Der lebenskluge Herr Sakai ist zwar ein strenger Chef und duldet im Job keine Nachlässigkeit („Ich hoffe, Sie kennen das Wort dalli“), versucht sein Team aber zusammenzuhalten und überrascht nach Dienstschluss mit Spontan-Einladungen, zum Beispiel in ein Nudellokal oder in ein Badehaus. Suzu findet dies übergriffig und möchte sich derartigen Zwangsbespaßungen eigentlich verweigern, doch nach und nach entspannt sie sich und öffnet sich vooorsichtig aus der Einsamkeit: Mit den Kollegen kommt sie auf ihre spröde Art zurecht, und auch mit dem alten Ehepaar von nebenan – etwas zu neugierig, etwas sehr schwerhörig – wechselt sie nun ab und an ein Wort, und man trinkt gemeinsam ein Gläschen Shōchū.

„Oben Erde, unten Himmel“ spielt im Zeitraum eines Jahres und wird mit trockenem, leicht morbiden Humor erzählt. Es bietet einen Einblick in eine moderne Gesellschaft, in der sich Menschen zum Beispiel ein Auto mieten, um dort einfach in einem ruhigen Rückzugsort still sitzen zu können. Die Welt gehört aber doch nicht nur den Schwadroneuren und raumgreifenden Frohnaturen, auch die vermeintlich Unscheinbaren und Verschrobenen haben jedes Recht auf Respekt und auf ein Lebens-Glück nach ihrem persönlichen Geschmack.

Der Roman handelt aber insbesondere vom Tod und von unserem Umgang damit. Ein unsentimentales und doch Optimismus versprühendes Buch voller Menschlichkeit und Gedanken, die einem nach der Lektüre noch nachgehen.