Buch-Tipp der Stadtbücherei Tönisvorst Eine hinreißende Liebeserklärung an Prag
Tönisvorst · Carmen Alonso, die Leiterin der Tönisvorster Stadtbücherei, gibt Literaturtipps. Diesmal eine weihnachtliche Buch-Empfehlung: „Weihnachten in Prag“ von Jaroslav Rudiš.
Der Schriftsteller Jaroslav Rudiš reist am Heiligabend nach Prag, um sich wie jedes Jahr dort mit Freunden zu treffen, eine schöne Tradition. Seine Freunde warten aber nicht am Bahnhof, auch telefonisch kann er sie nicht erreichen. Aber das macht nichts, denn der Autor macht sich erst einmal allein auf den Weg durch Prag.
Es ist kalt, es schneit, die Straßen sind leergefegt, also kehrt er in eines der vielen Wirtshäuser ein. Falls seine Freunde nicht mehr kommen sollten, macht er eben die Zoo-Runde: Zum Schwarzen Ochsen, Zum Kater, Zum Nilpferd und dann noch jenseits der Moldau Zum Goldenen Tiger, Zu den Bärchen und Zum kleinen Hirschen. Denn, dass weiß jeder Prager: Wenn eine Kneipe in der Altstadt einen Tiernamen hat, ist es eine gute Kneipe!
Auf seinem Weg durch die Metropole trifft er auf einsame Gestalten, die ihn ein Stück begleiten. Zum Beispiel Kavka (genannt: Kafka), dessen Kopf an Heiligabend immer leuchtet wie eine Prager Gaslaterne. Von ihm erfährt der Autor, dass die berühmten toten tschechischen Dichter, wie Kafka, Jaroslav Hašek oder Bohumil Hrabal, sich nach dem Tod in Tiere verwandelt haben: Kafka in eine Möwe, die beiden anderen sind Karpfen, weil sie zu Lebzeiten schon so viel gesoffen haben. Die Beiden treffen auf den diebischen, stadtbekannten „König von Prag“, der behauptet, Schlüssel zu allen Häusern, Kirchen und Burgen der Stadt zu haben. Heute, am Weihnachtsabend, aber hat er frei und er versichert seinen neuen Freunden, dass das Christkind jedes Jahr zu Weihnachten ein kleines Bier im Wirtshaus „Zum Ausgeschossenen Auge“ trinkt, bevor es wieder für ein Jahr verschwindet.
Und es begegnet den Männern noch Stella, eine Italienerin, die in Erinnerung an ihren verstorbenen Mann nach Prag gekommen ist. Ihr Mann liebte Prag, bezeichnete sie sogar als nördlichste Stadt Italiens, aber vor allem liebte er das Prager Straßenbahnsystem. Drei Männer und eine Frau, die sich gerade erst kennengelernt haben, stranden schließlich im „Ausgeschossenen Auge“, wo der Autor dann auch endlich auf seine Freunde und auch auf das Christkind trifft.
„Weihnachten in Prag“ ist eine hinreißende Liebeserklärung an Prag, an die Moldau, an das Bier, an die Straßenbahnen, an alle Karpfen, die nicht in der Pfanne landen, und an den Zauber der Weihnachtsnacht. Ein Aufruf, Weihnachten besinnlich zu feiern und mit Menschen zu verbringen, die man mag. Fast ein Weihnachts-Märchen, voller nachdenklicher Dialoge und kleiner philosophischer Gedanken, niemals kitschig und wunderbar illustriert von Jaromír 99, Comiczeichner, Musiker und enger Freund des Autors. Wer diese magische Wanderung durch das verschneite Prag liest, wird in seinem Kalender prüfen, ob kurzfristig noch Zeit für eine Reise nach Prag ist.