Willich Chor hat keine Angst vor Rammstein
Hermannjosef Roosen kennt das Geheimnis erfolgreicher Chöre. Er hat es selber konzipiert und setzt es beim Schiefbahner Ensemble „Chant du choeur changeant“ um.
Schiefbahn. Die Notenblätter im Gruppenraum der Johanneskirchengemeinde in Mönchengladbach rascheln. Hermannjosef Roosen hat zum Start des Übungsabends von „Chant du choeur changeant“ das Lied „Engel“ vorgegeben. Ein Werk von Rammstein. „Wenn Menschen, die uns nicht kennen, hören, dass wir einen Titel dieser harten deutschen Rockband singen, dann schütteln sie nur den Kopf. Wenn sie aber hören, wie das Lied bei uns klingt, dann strahlen Augen“, bemerkt der am Klavier sitzende Chorleiter des Schiefbahner Frauenchores.
Mit dem Einstiegslied macht Roosen schon etwas klar. Er geht als Chorleiter keine eingefahrenen Wege, sondern sucht das Neue und Ungewöhnliche. Festhalten an überholten Konzepten ist für ihn ein Fremdwort. Denn genau daran kranken in seinen Augen die meisten Chöre, es ergeben sich Nachwuchsprobleme und nicht gut besuchte Konzerte.
Unwegsamkeiten, mit denen der Krefelder als Chorleiter nicht zu kämpfen hat. „Ein Ensemble muss nicht nur gut sein, es muss auch von der Musik her interessant sein. Was nützen gute Sänger, wenn die Lieder als solche von den Besuchern nicht angenommen werden“, bemerkt Roosen. Das Hörerlebnis muss stimmen und ein Chor muss Wiedererkennung auslösen. Zwei wichtige Attribute für einen Chor, ohne die nichts läuft.
Von Leistungssingen hält Roosen mittlerweile ebenfalls nicht mehr viel, wenngleich „Chant du choeur changeant“ langjähriger Meisterchor in NRW und zudem ein vielfacher Wettbewerbsgewinner war. „Auch ohne Leistungssingen arbeite ich nicht anders als mit. Warum also Leistungssingen?“, fragt sich Roosen. Zumal er die Entwicklung im Chorverband mit Sorge sieht. Dort werde der Pegel immer tiefer angesetzt, lautet sein Kommentar. Das Meisterchor-Singen ist für ihn ein gutes Beispiel. „In meinen Augen hat das Meisterchor-Singen von heute nicht mehr die Qualität, die es damals hatte. Der Titel ist nicht mehr erstrebenswert“, sagt Roosen, der seit 43 Jahren als Chorleiter aktiv ist. Für ihn ein Grund, nicht mehr mit den Chören, die er betreut, anzutreten. Denn egal welcher Schwierigkeitsgrad bei seinen Chören anliegt, Roosen hängt den Niveau-Pegel immer hoch.
Ein hohes Niveau ist aber nicht nur ihm wichtig, sondern auch seinen Sängerinnen von „Chant du choeur changeant“ und zwar bei der gesamten musikalischen Bandbreite, die der Chor bietet. Es müsse schon ein bestimmtes Level sein, betont Anke Kaulbars. Schließlich wolle man die Zuhörer wirklich begeistern und sich den Applaus ehrlich verdienen. „Wenn ich bei einem Vortrag anderer Chöre falsche Töne höre oder wenig rhythmisches Singen vernehme, dann finde ich das nicht angenehm. Singen in einem Chor bedeutet, dass jeder bemüht ist, gut zu singen und der Chorleiter ein ausgeprägtes Gespür haben muss, um dem Chor die richtigen Impulse zu geben, damit die Leistung stimmig ist“, sagt Marita Gentsch, die von Anfang an dabei war.
Wobei „Chant du choeur changeant“ im Jahr 2001 aus dem Schiefbahner Ensemble „Belcanto“ und den „WeibThings“ aus Dülken entstanden ist. „Die einen hatten das, was den anderen fehlten“, informiert Roosen lächelnd. So besteht der Chor heute aus 16 Frauen, wobei vier in jeder Stimme vertreten sind, Mehr müssen es nicht sein, sind sich alle einig.