Kultur Neersener macht Theater-Karriere

Neersen · Christof Wahlefeld (37) ist der neue künstlerische Betriebsdirektor am Theater Bielefeld.

Dieses Foto aus dem Jahr 2017 zeigt den Neersener Christof Wahlefeld vor dem Theater für Niedersachsen in Hildesheim. Der damalige Dramaturg des Hauses moderiert im Frack ein Quiz Royal – „Klugscheißen für Royalisten“.

Foto: TfN

Wie sein Leben ohne Theater wäre? Christof Wahlefeld überlegt keine drei Sekunden: „Ein Albtraum!“ Das Theater ist nicht nur beruflich ein unverzichtbarer Teil seines Lebens. Es ist die „ständige Auseinandersetzung mit Themen“, die ihn reizt, ihn herausfordert und umtreibt.

„Ich könnte nicht jeden Tag dasselbe machen oder nur Zahlenkolonnen addieren.“ Geschichten erzählen, die das Publikum emotional packen, das ist seit einer Hospitanz in der St. Bernhard-nach-Abi-Zeit am Theater Krefeld-Mönchengladbach seine Passion.

Gerade hat der gebürtige Neersener einen großen Karrieresprung gemacht: Seit einigen Tagen ist Wahlefeld künstlerischer Betriebsdirektor am Theater Bielefeld. Damit bewegt sich der 37-Jährige nun auf Bundesliga-Niveau in der Theater-Welt.

Gut 200 Stücke hat er bisher in verschiedenen Theatern zur Vorstellungsreife gebracht – von der Bühnen-Assistenz bis zur Alleinverantwortung. „Ich werde für meine gnadenlose Subjektivität bezahlt“, sagt Wahlefeld und lacht. Die inhaltliche Beschreibung seines Berufs als Dramaturg folgt: Stücke lesen, bewerten, auf ihre Umsetzbarkeit im Theater abklopfen und Sing- und Sprech-Rollen besetzen – dies gehört zu den Kernaufgaben eines Dramaturgen. Er berät sich mit Spartenleitern und der Intendanz, ist als „Journalist des Theaters“ derjenige, der die Inhalte dem Publikum über Leporellos und Theaterprogramme zugänglich macht, klärt, welche Stück-Übersetzung sich eignet, welche Musik zu hören sein soll?

„Gnadenlos subjektiv sein zu dürfen ist ein Privileg, mit dem man aber auch sehr verantwortungsbewusst umgehen muss“, sagt Wahlefeld. Entscheidend sei, dass die Auswahl auch zum jeweiligen Theater passt. In Niedersachsen stimmte es professionell und persönlich sechs Jahre lang. Und nun passe er, sagt Wahlefeld, „bestens zu Bielefeld“.

Was hätte Christof Wahlefeld wohl von der Welt zu erzählen, wenn er nach dem „mäßigen Abitur“ doch den Flugbegleiter gemacht und die Länder der Erde bereist hätte? Nun bereist er die Welten, die die Literatur zu bieten hat. Er erkennt und wählt Themen der Zeit, Stücke, denen er wünscht, sich auf deutschsprachigen Bühnen gegen Klassiker und sogenannte Brotstücke zu etablieren, Brotstücke, die den Einnahmen-Erfolg garantieren, neue Wege finanziell möglich machen.

„Kunst darf auch mal scheitern“, sagt Wahlefeld. „Wir dürfen das. Das gehört zu unserem Beruf.“ Lehrreich sei es, sich immer wieder auszuprobieren. Auf seinen Stationen von Krefeld über Münster, Coburg, Lüneburg, einem Abstecher in den öffentlichen Dienst über das Theater in Hildesheim habe er sich immer wieder Dinge an- und abgeschaut.

Um sich ein Bild von einem Haus zu machen, besucht Wahlefeld eine Vorstellung. So lerne er das Publikum einschätzen. Er führt viele Gespräche mit Theaterschaffenden „auch in der Kantine“. Oder schaut sich an, wie gut und freundlich man beim Kartenkauf bedient wird. Er hat diese Theater-Tätigkeiten selbst von der Pike auf gelernt. Bei den Neersener Schlossfestspiele war er in den Intendanten-Jahren von Herbert Müller erst „Kartenkontrolleur“, später Regieassistenz. „Ich durfte auch ein Stück im Jahr 2015 inszenieren.“ Titel: „Ein deutsches Theater“.

Nun also ist er Künstlerische Betriebsdirektor am Theater Bielefeld. Das ist auf der Karriereleiter ein gutes Stück nach oben. „Ich sorge dafür, dass der künstlerische Apparat reibungslos läuft und der Lappen, also der Vorhang aufgeht, wenn er aufgehen soll. Dazu gehört Planung, Einfühlungsvermögen, aber auch Verhandlungsgeschick, Repertoirekenntnis und und und.“

 Die Entscheidung, das Theater ins Leben zu nehmen, das auf Dauer Sesshafte hinten anzustellen, steht für Wahlefeld. „Bisher hat mir das noch nichts ausgemacht. Es ist ultra-spannend, in einer neuen Stadt auf neue Menschen zu treffen, die Mentalität zu erkunden. Es ist ein Leben unterwegs.“

Und welches Traumziel kann das Theater beruflich noch setzten? „Wenn ich mir eines wünschen dürfte: eine Intendanz in Bayern“, sagt Christof Wahlefeld. „Ich würde wahnsinnig gerne einmal ausprobieren, ob ich in der Lage bin, einen ganzen Betrieb zu leiten? Und wie es wäre, einem Theater meinen künstlerischen Stempel aufzudrücken. Ob die Vision, die ich für ein Haus habe, funktioniert.“

Nun steht die Lust auf gute Geschichten in Bielefeld im Fokus. Wie wird das Publikum auf das unmittelbare Live-Erlebnis der ausgewählten Geschichten reagieren? Im besten Fall sollte es so sein, wie es Wahlefeld selbst in einem Theatersommer am Neersener Schloss erlebt hat, bei der Inszenierung von „Reineke Fuchs“ Ende der 1990er Jahre durch Neidhardt Nordmann. „Es war eine faszinierende Produktion!“ Das ist wohl die hohe Kunst: Theater mit Langzeitwirkung im Leben.