Nachhaltiges Unternehmen Die Bio-Kunststoffrevolution aus Willich

Willich · Das Willicher Kunststoffunternehmen FKuR stellt Bio-Kunststoffe her. Etwa die Hälfte ist vollständig biologisch abbaubar und wird von Mikroorganismen rückstandslos verstoffwechselt. Mikroplastik kann so nicht entstehen.

Die Geschäftsführer von FKuR, Carmen Michels und Patrick Zimmermann, präsentieren ihre Produkte. Das Unternehmen selbst stellt allerdings nur Granulate her, die Verarbeitung erfolgt bei anderen Firmen.

Foto: Norbert Prümen

(svs) Nachhaltigkeit ist das vielleicht wichtigste Thema unserer Zeit – und verkommt zugleich zur Floskel. Entsprechend schwierig ist es für Unternehmen, die sich in diesem Bereich betätigen, ein kla­res Profil zu schaffen, das die rea­len Stärken abbildet. Das gilt auch für das Willicher Unternehmen FKuR. Der Anbieter von Biokunst­stoffen wurde einst als An-Institut der Hochschule Niederrhein gegründet, der Name steht für Forschungsinstitut Kunststoff und Recycling. Erst im Jahr 2003 wurde es zu einem ei­genständigen Unternehmen.

Schon zuvor waren die beiden heuti­gen Geschäftsführer Carmen Michels und Patrick Zimmermann dabei. „Ich bin gleich nach dem Studium, Mitte der 90er Jahre, gekommen und seit 2013 Geschäftsführerin“, er­zählt Michels. Ihr Partner in der Geschäftsleitung des Mittelständ­lers stieß ein paar Jahre später, ebenfalls just nach Ende des Studiums, hinzu und stieg um 2018 in die Führungsebene auf. „Ehrlich gesagt müsste ich nachsehen, wann es genau war“, erzählt er grinsend.

Am Anfang stand
die Forschung

FKuR wurde gegründet, um das Recycling von Kunststoffen zu erforschen. „Damals haben die Hersteller das noch belächelt. Es hieß, die Ölreserven seien schier unendlich. Es gebe keinen Sinn in der Wiedergewinnung. Außer­dem sei sie niemals richtig mög­lich“, erinnert sich Michels. Heute sei das vollkommen anders. „Nicht nur die Anbieter, vor allem die Verbraucher, haben verstanden, dass es wichtig ist, Ressourcen zu scho­nen. So ist es heute wichtig für Unternehmen, dass ihre Kunststoffe recyclebar sind“, sagt die Maschinenbauingenieurin mit der Fach­richtung Kunststofftechnik.

FKuR geht heute aber noch weiter. Generell gebe es drei Arten von Biokunststoffen: Solche, die voll­ständig biologisch abgebaut und von Mikroorganismen verstoffwechselt werden können und teilweise auf Erdöl basie­ren, solche, die zersetzt werden können und auf nachwachsenden Roh­stoffen basieren und die, die auf nachwachsenden Rohstoffen basieren, nicht abgebaut, dafür aber re­cycelt werden können.

„Wir sind in allen drei Bereichen aktiv. Ungefähr die Hälfte unserer Kunststoffe sind vollständig biolo­gisch abbau- oder gar kompostier­bar“, erzählt Zimmermann. Letzteres sei dabei eine besondere Ebene der Abbaubarkeit. „Dabei geht es darum, dass ein Kunststoff in einer industriellen Kompostieranlage vollständig abgebaut wird. Das ist nicht nur eine Frage der Materialeigenschaft, sondern auch der Grö­ße“, erläutert Zimmermann. Als Ver­gleich wählt er einen Baum. „Blatt und Stamm eines ausge­wachsenen Baumes bestehen im Prinzip aus demselben Material. Wenn ich aber das Blatt in eine Kompostieranlage bringe, ist das erfolgreich, der Stamm ist vielleicht erst nach Jahren voll­ständig abgebaut. Bei der industri­ellen Kompostierbarkeit sind Wochen der Zeitrahmen“, erzählt er.

Der Vorteil der vollständigen Kom­postierbarkeit: Der Kunststoff wird in Wochen, oder, sollte es sich um sehr große Teile handeln, maximal Jahren komplett in seine Bestand­teile zerlegt. Mikroplastik kann so nicht entstehen, da gerade diese extrem kleinen Teile mit ihrer, im Vergleich zum Volumen, riesigen Oberfläche in Tagen komplett ver­stoffwechselt sind. Das allein sei aber nicht der heilige Gral, betont Zimmermann. „Es gibt unterschied­lichste Anwendungsgebiete. Für ei­nige ist Beständigkeit des Materials wichtiger. Entscheidend ist hier vor allem der Umgang damit. In Nordeuropa zum Beispiel sind auf regenerativen Materialien basierende und komplett recyclebare Kunststoffe viel gefragter. Hier gibt es die entsprechenden Sammelsysteme und Recyclingkapazitäten“, betont er. In Südeuropa werde, wie auch in weiten Teilen Afrikas und Asiens, eher auf Abbaubarkeit gesetzt.

„Wichtig ist hier vor allem, dass der Kunststoff passend zur Anwen­dung und Situation ist. Wir haben beispielsweise einen Kunden, der nachhaltige Kosmetika herstellt. Mit diesem haben wir eine Verpa­ckung hergestellt, die komplett aus einem Material, Polyethylen, herge­stellt ist. Das haben wir so verändert, dass es auch das Scharnier am De­ckel darstellen kann. Chemisch ist es von herkömmlichem Material nicht zu unterscheiden. Aber es basiert vollkommen auf nachwachsenden Roh­stoffen und ist sehr gut zu recyceln“, erläutert Michels.

Was sich die Unternehmensvertreter wünschen, wäre mehr Unterstützung aus Politik und Bevölkerung. „Unse­re Kunststoffe sind nicht perfekt, sonst müssten wir nicht jeden Tag weiter daran arbeiten. Aber sie sind besser als der Status Quo. Und das müssen wir gerade in Deutsch­land zu würdigen lernen“, betont Zimmermann und Michels ergänzt: „Mehr Offenheit für neue Technolo­gien wäre wünschenswert. Auch und besonders in der Politik.“ Das Un­ternehmen folgt dem Leitspruch: „Die Bedürfnisse der heutigen Gene­ration lösen, ohne auf Kosten der Zukunft zu leben“. Das will FKuR mit Innovationskraft und frischem Denken erreichen. Mit neu­en, nachhaltigen Wegen in einer kunststoffbasierten Welt, die die Umwelt und künftige Generationen nicht belasten.