Ein Fall für Frau Doktor in der Puppenstube
Charlotte Hillringhaus repariert Lieblinge der Kindheit. Sie hat in Anrath einen Trödelstand.
Anrath. Es ist eine kleine heile Puppenwelt, die Charlotte Hillringhaus in der Trödelhalle in Anrath aufgebaut hat. Die niedlichen kleinen Gesichter, die hübschen Kleidchen — alles versetzt einen sofort in die Kindertage, in denen der Blick in das vertraute Gesicht des Püppchens einem Ruhe und Vertrauen vermittelt und gleichzeitig zu den schönsten Phantasien angeregt hat.
Dazwischen zeigen zwei Puppenköpfe, dass dieses Glück brüchig ist. Denn während die Zeit der Puppenmutter nur Falten ins Gesicht treibt, lässt sie im Kunststoff, aus dem die Puppen gemacht sind, den Weichmacher härten.
„Diese alten Köpfe sind aus Zelluloid“, sagt Hillringhaus zu den beiden Vorkriegspuppenköpfen der Marke Schildkröt. Wie Tischtennisbälle, die ebenfalls mit der Zeit ihre Elastizität verlieren und brüchig werden.
Hillringhaus kennt die Materialien, mit denen sie die Formen ergänzen kann, weiß, womit sie den Gesichtern wieder die rosige Frische auf die Wangen zaubert. „Seit 1984 mache ich solche Reparaturen.“
Die Firma, für die sie tätig war, hatte in der Zeit so viel zu tun, dass Hillringhaus bald ein Lehrmädchen ausbildete. „Die ging dann bei den Dekorateuren in die Berufsschule“, erinnert sie sich.
Viele der verwendeten Werkzeuge stammen von den Medizinern. Haken, mit denen sie die Gummis durch den Körper zieht, die die Gliedmaßen an den richtigen Öffnungen und beweglich halten.
In kleinen Kisten hat sie Zubehör aufbewahrt. „Diese Puppen haben Glasaugen, andere haben Linsen.“ Die, die die Augen zum Schlafen schließen können, sind wieder anders konstruiert. Hillringhaus hat sie in allen Formen und Farben.
Der Boom aus den 80er und 90er Jahren hat inzwischen nachgelassen. „Das war die Zeit, in der viele Frauen, ihr Püppchen reparieren ließen, das im Krieg beschädigt wurde“, erklärt sie. Viel Leid kochte hoch, wenn Hillringhaus die Fragmente in Empfang nahm. Wenn sie das geliebte Spielzeug scheinbar unversehrt an die Eigentümerin zurückgab, „dann strahlten die Augen.“
Aus diesen Gründen gab es auch einen Markt für historische Puppen, wenn solche, die bei Flucht und Vertreibung verloren gegangen sind, ersetzt werden sollten. Hillringhaus kennt alle Modelle. „Hans und Inge waren die ersten Schildkrötpuppen aus dem Jahr 1910.“ Sie zeigt auf „Ursel“, die wohlbehalten und mit hübschem Kleidchen in der Vitrine sitzt.
Gleich am zweiten Samstag, an dem Charlotte Hillringhaus in Anrath ausstellt, kommt eine Kollegin zu ihr, die mit modernen Puppen handelt. „Was kostet es, wenn sie die Beine wieder an meine Puppe dranmachen?“ erkundigt sie sich. „Meine Puppe, aus meiner Kindheit, ist kaputt!“ klagt sie. Ihr Blick zeigt, dass nur die offiziellen Tage als Puppenmutter vorbei sind, die Fürsorge für das Püppchen noch lange nicht.