Erziehungsberatung: „Immer mehr total zerstrittene Eltern“

Die Erziehungsberatung hat zwar weniger Fälle, dafür steigt aber deren Intensität, berichtet Leiter Udo Hartings.

Willich. Die Szenen, die sich in der Willicher Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern abspielen, sind teilweise heftig. Udo Hartings, Leiter der Einrichtung, berichtete im Jugendhilfeausschuss von „immer mehr total zerstrittenen Eltern, die mit einer immer höheren Impulsivität in die Gespräche gehen“. Da würden Bedrohungen ausgesprochen, Gespräche müssten immer wieder abgebrochen werden.

Die Arbeit der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern ist stressig. Und das, obwohl die Zahl der Klienten im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2010 um 50 auf 528 zurückgegangen ist.

Die meisten Eltern, die die Hilfen in Anspruch nehmen, haben Kinder im Kita- und Grundschulalter. Die Wartezeit auf einen Beratungstermin beträgt in der Regel 14 Tagen, viele Hilfesuchende müssen sich aber auch bis zu einem Monat gedulden. „Wir müssen mit unseren Zeitkontingenten haushalten, irgendwann ist der Akku leer“, sagte Hartings. Neben dem Stammpersonal stünden fünf Honorarkräfte für die „begleiteten Umgänge“ zur Verfügung, bei denen Kind und Elternteil sich am neutralen Ort unter Aufsicht begegnen.

Hartings konnte nicht erklären, warum die Zahl der Fälle zurückgegangen ist. Ob dies eine Auswirkung der Familienzentren sei, die ja schon Hilfen in einer sehr frühen Phase des Konflikts anbieten, könne nur spekuliert werden.

Der Rückgang der Fallzahlen werde sich aber schon deshalb in Grenzen halten, weil immer mehr Jugendämter zerstrittene Eltern verpflichteten, die Hilfe der Beratungsstelle in Anspruch zu nehmen. Die Statistik, die Hartings vorlegte, macht deutlich, dass Jungen häufiger zu Problemfällen werden: Ihr Anteil an den Beratungen liegt bei 59,8 Prozent. Im überwiegenden Teil der Fälle hat die Mutter die Initiative ergriffen, eine Beratung in Anspruch zu nehmen.

„Haben Willicher Probleme damit, in Willich Hilfe zu suchen?“, wollte Thomas Brandt (FDP) wissen. „Das gibt es nur in Einzelfällen“, antwortete Udo Hartings. Die Hemmschwelle dürfte seiner Meinung nach gesunken sein, seit die Beratungsstelle im alten Rathaus am Kaiserplatz untergebracht ist — einem Gebäude, das zu verschiedenen Zwecken genutzt wird.

Der Ausschuss-Vorsitzende Dieter Lambertz (CDU) erinnerte an Zeiten, in denen die Arbeit der Beratungsstelle mit bis zu 80 Prozent bezuschusst wurde. „Heute kriegen wir keinen einzigen Euro mehr“, sagte er.