Glücksmomente im Laufe des Jahres 2015
Was hat sie in den vergangenen zwölf Monaten glücklich gemacht? Beruflich? Privat? Was hat ihren Blick aufs Glück geschärft? Antworten geben Menschen aus Willich und Tönisvorst.
Willich/Tönisvorst. Das Jahr 2015 wird — weltweit betrachtet — als eines wahrgenommen, das viel eher Pate stand für Krisen und Kriege, Unglücke, für Terror, Flucht und Leid als für eine Vielzahl an Glückmomenten. Aber diese Momente gab es. Sie wirken nach, sie wärmen und stützen, bewegen, sie machen Hoffnung und motivieren im besten Falle für die anstehenden Aufgaben im neuen Jahr. Wir haben einige Menschen in Willich und Tönisvorst nach ihren persönlichen Glücksmomenten befragt.
Standesbeamtin Karin Steffan, die sich wie viele weitere Tönisvorster in der Flüchtlingshilfe in der Stadt engagiert, spricht spontan über einen Glücksmoment, der aus ihrem Jahr 2015 herausragte. „Mein Patenkind ist in der evangelischen Kirche getauft worden.“ Es handelt sich um einen 26-jährigen jungen Mann aus dem Iran. Er ist als Flüchtling nach St. Tönis gekommen. In seinem Heimatland hatte er sich dem Christentum zugewandt. Sein Wunsch zu konvertieren ist hier mit seiner Taufe im November vollzogen worden.
Karin Steffan erlebte diese Taufe auch für sich als sehr glücklichen und sehr bewegenden Moment, weil sie einen Neuanfang, aber auch einen Einschnitt im Leben ihres Schützlings bedeutete. Denn, so Steffan: „Er wird damit nie mehr zurück können in sein Land. Wer im Iran konvertiert, muss damit rechnen, getötet zu werden.“ Sie bewundert den Mut des jungen Mannes. „Er ist wie ein vierter Sohn, ich bin die deutsche Mama geworden.“ Es sei ein Glück, so einen Menschen kennengelernt zu haben.
Walter Schöler aus St. Tönis, ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter und Geschäftsführer der Allgemeinen Wohnungsgenossenschaft (AWG), fällt es sichtlich schwer, über Glücksgefühle nachzudenken und zu sprechen. Viel zu betrübt ist er über den Tod seines Freundes Hans-Jürgen van den Boom, der lange Jahre auch als Vorstandskollege in der AWG sein Weggefährte war. Van den Boom starb bei einem Autounfall in Krefeld Mitte des Monats, wenige Wochen nach dem Tod seiner an Krebs erkrankten Frau.
Mit dem Paar waren die Schölers befreundet. Im Unglück wird ein Glücksmoment gewichtiger, wertvoller. „Wenn man“, sagt Schöler, „mal darüber nachdenkt, wie viele glückliche Situationen man während eines Jahres erlebt. Ich hatte beispielsweise eine Knie-OP. Als ich aus der Narkose aufwachte und der Arzt mir sagte, dass alles gut gelaufen sei, da habe ich Glück empfunden.“ Oder als sein Sohn unerwartet, weil unangekündigt die Eltern während ihres Urlaubs auf den Kanaren besuchte: „Das war eine tolle Überraschung.“
Überhaupt, sagt Schöler, seien die regelmäßigen vierwöchigen Familienurlaube in einem kleinen, von Touristen kaum besuchten Ort auf den Kanaren tief empfundenes Glück. Schöler: „Wenn ich nach der Ankunft am ersten Mittag auf der Terrasse sitze und die gesamte Urlaubszeit liegt vor mir — das ist jedes mal ein glücklicher Moment, den ich festhalten möchte.“
Pfarrerin Daniela Büscher-Bruch sitzt an ihrem Schreibtisch in St. Tönis, als sie nach ihren Glücksmomenten in den vergangenen zwölf Monaten gefragt wird. Sie bittet sich Bedenkzeit aus. Wie alle anderen vor ihr.
Über Glück muss man eben ein paar Momente lang nachdenken. Dann aber sind sie da, die besonderen, die innigen Momente. „Was ich Ihnen nun sage, wird Ihnen komisch vorkommen. Es ist auch ambivalent, aber es war ein sehr intensiver Moment. In diesem Jahr ist meine Mutter gestorben. Und ich konnte sie begleiten. Das hat uns sehr viel Nähe gegeben.“
Vor drei Jahren habe sie ihre Mutter, die im Saarland zu Hause war, nach St. Tönis geholt. „So traurig es auch war. Meine Mutter war sehr gläubig, sie wollte gehen und ich konnte ihr sagen, du darfst gehen. Sie ist ganz ruhig gestorben. Das war ein trauriger, aber auch ein sehr schöner Moment. Sie und auch ich, wir beide hatten die Ruhe loszulassen.“
Glücklich macht sie auch das bestandene Abitur ihrer Tochter. „Mit einer tollen Feier. Das war ein Höhepunkt in diesem Jahr.“ Besonders sei für sie auch die Begleitung von Vikarin Anne Wellmann gewesen, sagt Pfarrerin Büscher-Bruch. „Ich war ihre Mentorin. Wir haben uns beide aneinander bereichert.“
Als bereichernd und beglückend empfindet Büscher-Bruch auch das Zusammensein mit ihren Konfirmanden: 60 umfasst der diesjährige Jahrgang. „Sie sind unglaublich engagiert.“ Viele von ihnen, die die Pfarrerin, die seit 16 Jahre in St. Tönis arbeitet, schon getauft hat, übernehmen ehrenamtliche Aufgaben. „Da kommt unglaublich viel zurück“, sagt Büscher-Bruch.
Schließlich erwähnt sie die große Hilfsbereitschaft vieler Bürger den Flüchtlingen gegenüber. „Das hat mich sehr berührt und bewegt in diesem Jahr.“ In ihrer Gemeinde seien sehr früh schon Deutschkurse angeboten worden. „Wir werden immer wieder auf Deutsch begrüßt, jeder neue gelernte Brocken Deutsch wurde und wird angewandt.“ Erlebt hat sie viel Empathie in der Gemeinde „für Menschen, die Hilfe benötigen“.