Goldener Brief für Hans-Gustav Verhasselt
Der St. Töniser wurde jetzt von der Bäcker-Innung ausgezeichnet. Seine Lehre begann er mit 14 Jahren in Lobberich.
St. Tönis. Noch steht er auf der Anrichte, aber er wird einen Ehrenplatz erhalten. Die Rede ist vom Goldenen Meisterbrief, den Hans-Gustav Verhasselt jetzt aus den Händen von Rudolf Weißert, Obermeister der Niederrheinischen Bäcker-Innung Krefeld-Viersen-Neuss, und seinem Stellvertreter Erich Lehnen erhielt. „1955 habe ich meine Bäckerlehre in Lobberich gestartet. Es war mein Wunschberuf, schließlich bin ich in der Backstube groß geworden. Mein Opa und mein Vater waren Bäcker — ich kannte nichts anderes“, erinnert sich Verhasselt.
Drei Mark Lehrgeld gab es seinerzeit pro Woche, wobei der damals 14-jährige St. Töniser die Woche über in Lobberich bei der Familie seines Lehrherrn blieb und nur an den Wochenenden mit dem Bus nach Hause fuhr. Noch genau erinnert sich der Senior an den zweiten Tag seiner Lehre, als es zum ersten Mal hieß, nachts um 3 Uhr aufzustehen und in der Backstube die Arbeit aufzunehmen. Aber auch das frühe Aufstehen konnte ihm die Freude an diesem Beruf nicht nehmen.
Nach der Lehre ging es für ein Jahr nach Krefeld, um Erfahrungen in zwei weiteren Betrieben zu sammeln, bevor die Arbeit im elterlichen Betrieb begann. Dass der Meister irgendwann folgen sollte, stand fest, doch zuvor heiratete Verhasselt 1964 seine Freundin Rosemarie. Für die etwas später folgende Meisterschule ging es für zweieinhalb Jahre nach der Arbeit nach Krefeld. „Das war eine harte Zeit. Das frühe Aufstehen, die Arbeit in der Backstube und danach von 15.30 bis 19.30 Uhr die Schulbank drücken war nicht einfach“, erzählt er.
Mit 42 Mitstreitern startete er die Abendschule. Zum Schluss waren es dann nur noch sieben, die in die Prüfung gingen. „Wir hatten das Glück, einen Lehrer zu haben, der früher selber als Bäcker gearbeitet hatte und wusste, was wir leisteten. Er hatte Verständnis dafür, wenn jemand auch mal im Unterricht vor Übermüdung einschlief. Er ließ ihn schlafen und ermahnte ihn später, beim nächsten Mal besser aufzupassen“, berichtet Hans-Gustav Verhasselt.
Am 28. Februar 1968 konnte er den Meisterbrief für das Bäckerhandwerk sein eigen nennen. 1970 übernahm er den elterlichen Betrieb an der Gelderner Straße, an dessen Spitze er bis zur Schließung im Jahr 2000 stand. „Als mein Vater die Bäckerei noch betrieb, gab es 28 Bäcker in St. Tönis. Alle konnten davon leben. Heute haben wir noch drei Bäcker“, sagt Verhasselt.
„In den letzten 15 Jahren haben wir über 50 Prozent der Betriebe verloren“, sagt Rudolf Weißert. Im Jahr 2000 waren es bundesweit noch rund 38 000 Backbetriebe. Heute sind es gerade einmal gut 12 000 Betriebe. Es gebe einen extremen Abschmelzungsprozess, sagt Erich Lehnen. Statt Bäckereibetrieben gibt es Filialen von Bäckereiketten. Dabei haben Bäcker, gerade wenn sie Nischen besetzen, gute Zukunftsaussichten. Produkte mit einer eigenen Note sind beim Kunden nämlich gefragt.