Willich Im Kaisersaal wird abgerissen
Die Heimat der „Black Brothers“ ist bald Geschichte. In der Hülle der alten Mauern sollen sechs neue Wohnungen entstehen.
Willich. Jochen Contzen wird ein bisschen sentimental: „Leb wohl, alter Saal. Schlaf gut. Deine Bretter sind voller Geschichten.“ Das hat der „Black Brother“ in einer E-Mail an seinen gesamten Bekanntenkreis geschrieben. Grund: Im legendären Kaisersaal haben am Mittwoch Abrissarbeiten begonnen.
„Der Kaisersaal wird abgerissen“, schreibt Jochen Contzen. Tatsächlich wird es nur eine vollständige Entkernung des 1897 gebauten Gebäudes geben, um Platz für eine Wohnbebauung zu schaffen. „Wir erwarten kurzfristig die Baugenehmigung“, berichtet Architekt Daniel Jungermann, der für seinen Bruder Ralf die Planungen übernommen hat. Die Maßnahme sei mit dem Denkmalschutz abgestimmt, betont der Architekt weiter, denn der Saal war 2014 kurzfristig unter Denkmalschutz gestellt worden — sehr zum Ärger von Investor Ralf Jungermann, der den Saal eigentlich abreißen lassen wollte.
Doch das ist Schnee von gestern. Die äußere Hülle wird nun erhalten — innen aber wird es einen Totalumbau geben. Sechs Wohnungen zwischen 100 und 120 Quadratmetern werden entstehen, mit Aufzug, Balkonen und Carports vor der Tür. Zuvor müssen eine Zwischendecke eingezogen und zusätzliche Fensteröffnungen geschaffen werden.
Die Planungen wurden im Vergleich zu den ersten Entwürfen deutlich abgespeckt: Noch vor zwei Jahren sollte mit dem Bau von bis zu 14 barrierefreien und altengerechten Mietwohnungen begonnen werden. Das war aber mit dem Denkmalschutz nicht machbar. Die nun geplanten Wohnungen in alter Bausubstanz, „komfortabel und innenstadtnah“, so Daniel Jungermann, richteten sich an eine andere Zielgruppe.
Säuberlich gestapelte Verschaltungsbretter für die kommenden Arbeiten liegen schon am Rande des Geländes bereit. Bevor sie zum Einsatz kommen können, haben aber die fünf Arbeiter der Anrather Firma HK-Bau, die seit Mittwoch mit dem Abriss beschäftigt sind, noch einiges zu tun. Immer wieder dringen aus dem Saal krachende Geräusche nach draußen, wenn die nächste Wandverkleidung heruntergerissen wird. Ein großer Balken-Berg liegt bereits vor der Tür. Schubkarrenweise werden Bretter und Dämm-Materialen nach draußen gebracht. Polier Jeton Gashi ist mit dem Fortgang der Arbeiten zufrieden: „Das geht alles ruckzuck“, erzählt er in einer kurzen Pause.
Die Bühne, auf der die Blues und die Black Brothers seit Ende der 80er Jahre ihre umjubelten Konzerte gaben, ist vorerst noch vorhanden. Auch die alten Lampen hängen weiter von der Decke und sehen aus, als müssten sie gleich ins Museum gebracht werden. Löcher im Holzfußboden lassen erkennen, wie marode der alte Saal tatsächlich schon war.
Wann soll der Umbau beginnen, wann soll alles fertig sein? Daniel Jungermann will sich nicht festlegen: Bei solchen Arbeiten in alten, denkmalgeschützten Gebäuden müsse man immer mit Überraschungen rechnen. An der Stadt soll es nicht scheitern: „Wir sind dran, die Baugenehmigung kommt so schnell als möglich“, sagt Geschäftsbereichsleiterin Andrea Ritter.
Definitiv morgen Abend wird sich Jochen Contzen vom Kaisersaal verabschieden. Gleich nebenan, in der Gaststätte Schiffer, gibt er ein Konzert mit „Die wahrscheinlich schlechteste Band der Welt“. „Werde vorne ein Glas auf die alten Zeiten heben“, kündigt der „Dicke“ an.