„Kirchlein“ für Anrath
Vor 100 Jahren ist der Grundstein für die Evangelische Kirche gelegt worden. Erster Pfarrer im Ort war Karl Echternacht.
Anrath. 6. März 1910: Für die kleine evangelische Gemeinde von Anrath ist es ein großer Tag. Am Ortsrand in Richtung Vorst wird an der Bahnstraße (heute: Jakob-Krebs-Straße) der Grundstein für eine eigene Kirche gelegt. Schon seit drei Jahren steht an gleicher Stelle eine Kapelle, die nun den Eingangsbereich des neuen Gebäudes bilden soll.
"Die Feier war vom herrlichsten Frühlingswetter begünstigt", erinnert sich später Superintendent Bungeroth aus Mönchengladbach. Baukosten in Höhe von 25.000 Mark waren für das "Kirchlein", so Bungeroth, kalkuliert worden. Schon ein halbes Jahr später, am 6. November, wurde die Einweihung gefeiert.
Dass in diesem Jahr 100-jähriges Bestehen der evangelischen Kirche begangen werden kann, hat die Gemeinde auch ihrem ersten Pfarrer zu verdanken. Karl Echternacht war am 1. Oktober 1904 als Seelsorger für die neu erbauten Gefängnisse nach Anrath gekommen. Mit deren Gründung hatten sich immer mehr evangelische Beamte in dem bis dahin urkatholischen Ort angesiedelt: Wurden 1880 gerade mal sechs Protestanten in Anrath gezählt, waren es im Jahr 1905 schon 125.
Doch wo sollten Gottesdienste gefeiert werden? Innerhalb der Gefängnismauern war dies aus disziplinarischen Gründen nicht möglich, wie Hobby-Historiker Manfred Fabianke im Kreisheimatbuch 2004 schreibt. An der Bahnstraße 120 (heute: Jakob-Krebs-Straße128) wurde daher in einem Privathaus ein Gebetsraum angemietet. Dort gab es am 5. November 1905 den ersten öffentlichen evangelischen Gottesdienst im Ort.
Der Raum wurde für die weiter wachsende Gemeinde bald zu klein. Pfarrer Echternacht und andere Gemeindemitglieder gründeten einen Kirchbau-Verein, ein Grundstück wurde gekauft. Da der Eigentümer des Hauses an der Bahnstraße zum 1. April 1907 zudem Eigenbedarf für den Gebetsraum anmeldete, wurde auf dem gekauften Grundstück im gleichen Jahr ein Konfirmandensaal errichtet, der dann als Notkirche diente.
"Unermüdlich", so der Superintendent, arbeitete Echternacht neben seiner offiziellen Tätigkeit im Gefängnis daran, auch außerhalb der Mauern ein Gemeindeleben aufzubauen. Mit Erfolg: 1910 konnte mit der Errichtung der Kirche begonnen werden. Anders als zunächst kalkuliert, durften die Gefangenen allerdings nicht an dem Bau mitwirken, was die Kosten in die Höhe trieb. Nur an der Innenausstattung waren sie beteiligt.
Pfarrer Echternacht blieb noch vier Jahre in Anrath, dann ließ er sich als Gefängnisseelsorger nach Rheinbach bei Bonn versetzen: Die Arbeit innerhalb und außerhalb der Mauern hatten seiner Gesundheit zugesetzt. Am 16. April 1914 wurde seine Verabschiedung gefeiert. In Rheinbach blieb Echternacht bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1932. Er starb 1955 mit 89 Jahren.