Krankenkasse stellt sich quer: Rollstuhl bleibt liegen

Gudrun Schmitz möchte eine Reparatur — die Kasse will zwei neue Stühle zahlen.

Vorst. Zu behaupten, das Ganze sei ein Stück aus dem Tollhaus, trifft es nicht ganz: Dies ist eine Geschichte aus dem deutschen Gesundheitswesen.

Die Beteiligten: Gudrun Schmitz (73) aus Süchteln, ihr Sohn Holger Schmitz, als Allgemeinmediziner in Vorst auch Hausarzt der Mutter — und die Krankenkasse KKH-Allianz.

Frau Schmitz, nach einer Hirnblutung 2004 sprach- und körperbehindert, ist auf den Rollstuhl angewiesen. Einen solchen bekam sie vor sieben Jahren verschrieben, es ist ein Spezial-Gerät.

Ende vergangenen Jahres stellen sich Defekte ein: Der Rollstuhl bleibt liegen, die Lenkrollen sind abgefahren, die Kugellager der Lenkgabeln defekt. Klar: Das Gerät muss repariert werden.

„Ich habe ein entsprechendes Rezept ausgestellt, es dann auf Nachfrage des Sanitätshauses nochmal geändert. Dann dachte ich, es sei alles klar“, sagt Holger Schmitz. Gemeldet wird der Schaden am 7. Januar, am 17. Februar ist noch nichts geschehen.

Ein Anruf bei der Krankenkasse KKH-Allianz soll Klarheit bringen. „Die behauptete, der bisherige Rollstuhl sei nicht von ihr bezahlt, weshalb er auch nicht repariert werden könne“, erinnert sich Schmitz. Er wird gebeten, einen neuen zu verordnen.

Der Arzt wendet sich nach einer Woche erneut an die KKH, eine andere Sachbearbeiterin ist am Telefon — sie weiß von nichts. Immerhin: Mitte April meldet sich das „Hilfsmittelzentrum Bremen“ und verspricht, mit dem zuständigen Sanitätshaus in Essen zu sprechen.

Jetzt der eigentliche Irrsinn: Die Frau soll einen ganz normalen Rollstuhl bekommen. „Den kann sie kaum benutzen, da kommt sie nicht alleine hinein“, sagt der Mediziner. Seine wiederholten Vorstöße, das vorhandene Gerät doch reparieren zu lassen, laufen ins Leere — ganz so, als hätten die Mitarbeiter der Kasse dazu keinen Button, den sie im Computerprogramm anklicken können.

Das Problem scheint zu sein, dass man keinen Beleg dafür findet, dass die KKH den vorhandenen Rollstuhl bezahlt hat. „Wer soll es sonst gemacht haben?“, fragt Holger Schmitz. „Meine Mutter ist seit über 40 Jahren Mitglied dieser Kasse.“

Während des Jahres geht die Angelegenheit weiter munter hin und her. Es wird sogar ein besonderer Leichtrollstuhl verschrieben. Abgesehen davon, dass auch dieser für Frau Schmitz ungeeignet ist, wird der auch zunächst nicht geliefert.

Unterdessen hat Holger Schmitz ein Süchtelner Sanitätshaus mit der Reparatur des „alten“ Rollstuhls beauftragt. Die Kosten werden sich 400 bis 600 Euro belaufen. Der von der Krankenkasse angebotene Leichtrollstuhl kostet locker das Dreifache. Ist bei der Krankenkasse niemand am Sparen interessiert?

„Doch“, sagt Simon Kopelke, Pressesprecher der KKH-Allianz. Und erklärt, wie die Kasse jetzt vorgeht: Die Frau bekommt den Leichtrollstuhl. Weil der nicht in das Gäste-WC passt, kriegt sie zusätzlich noch einen sogenannten Toiletten-Rollstuhl. „Die bekommen wir auf Miet-Basis. Das kostet dann vielleicht 100 Euro im Jahr“, sagt Kopelke.

Verglichen mit der Reparatur des jetzigen Rollstuhls, sei das wahrscheinlich günstiger. „Wenn die 600 Euro kostet, muss der ja dann schon sechs Jahre halten.“ Das sei aber fraglich.