Naturschutz in Willich Nachhaltigkeitspreis für Fledermaustunnel an Kiesgrube

Schiefbahn · Für knapp 100.000 Euro hat die Firma Holcim mit dem Nabu Willich auf ihrem Gelände, der Kiesgrube kurz vor Kaarst, einen Tunnel für Fledermäuse gebaut. Hier können sie überwintern. Dafür gab es den Nachhaltigkeitspreis.

Jörg Tillmanns, Fledermausexperte Dirk Schotten (beide Nabu), Namican Tüleyli (Holcim), Erich Stettner, Jack Sandrock (beide Nabu) und Dirk Braken (Holcim, v.l.) präsentieren den fertigen Tunnel.

Foto: Sven Schalljo

Wer heute das Gelände der Firma Holcim betritt – so er die Erlaubnis hat, denn natürlich bedarf der Aufenthalt der Zustimmung – der fühlt sich auf weiten Teilen gar nicht wie auf einem Werksgelände. Der gesamte nördliche und westliche Teil ist bereits komplett ausgekiest und renaturiert. Lediglich ganz im Süden des Baggersees sind noch einige Kiesbagger zu sehen. „In maximal sieben Jahren ist hier aller Kies abgebaut. Wir sind bereits intensiv mit der Renaturierung beschäftigt“, sagt der bei Holcim für die Renaturierung verantwortliche Projektleiter Namican Tüleyli.

So werden im abgearbeiteten Teil auch Anlagen zurückgebaut. Dazu gehörte ein Förderband, das den Kies von der nordwestlichen Ecke zu den Verladeanlagen am Ostufer transportierte. Dafür war ein Tunnel angelegt worden. Dieser wurde in Zusammenarbeit mit dem Nabu aufwendig ungebaut und soll nun ein Fledermaus-Refugium werden. Dafür erhielten die Firma und die Naturschutzorganisation gemeinsam den Willicher Nachhatigkeitspreis.

Preis hat für das Unternehmen eine hohe Bedeutung

Die dafür verliehene Stele brachte Holcim direkt in der Zufahrt zum Werksgelände über dem Firmenschild an. Das zeigt: Der Preis hat eine hohe Bedeutung für das Unternehmen. „Die Kiesindustrie wird ja von Naturschützern gern kritisiert. Hier zeigen wir aber, dass wir, wenn es gut gemacht wird, langfristig durchaus gute Dinge hinterlassen“, betont Tüleyli und bekommt Zuspruch vom Nabu-Vorsitzenden in Willich, Jack Sandrock: „Hier ist das wirklich vorbildlich gemacht. Auf dem Gelände, das wunderbar renaturiert wurde, finden sich viele seltene Tier- und Pflanzenarten. Die steilen Abbrüche im Fördergebiet werden auch alljährlich von stark bedrohten Uferseeschwalben zum Nisten genutzt. Holcim nimmt darauf Rücksicht und schont diese Gebiete für die Brutzeit. Das ist schon eine tolle Sache“, sagt er.

Das Paradeprojekt aber ist und bleibt der Fledermaustunnel. In rund einem Monat langer Arbeit wurden Fundamente herausgerissen und eine Seite des Tunnels verschlossen. Am Boden wurde eine Kies- und Sandschicht ausgebracht. Unter die Decke hängten die Nabu-Mitglieder in ehrenamtlicher Arbeit rund eineinhalb Tonnen Poroton-Steine. Diese weisen Löcher auf, in die die kleinen Säugetiere kriechen, um hier zu überwintern.

„Fledermäuse halten Winterschlaf. Früher sagte man, dass sie ungefähr im Oktober in die Höhlen gehen. Heute verschiebt sich das auf Ende November bis Anfang Dezember. Durch die wärmeren Temperaturen gibt es auch länger Insekten“, erzählt der Fledermausexperte des Nabu, Dirk Schotten. Wann die Höhle angenommen würde, müsse abgewartet werden. „Es kann sei, dass wir schon in diesem Winter die ersten Gäste haben, es kann aber auch noch Jahre dauern. Etwas vermenschlichend könnte man sagen: Bei Fledermäusen kommt es auf Mundpropaganda an“, erläutert er grinsend.

Der Tunnel sei ideal, betont Sandrock. „Fledermäuse brauchen eine hohe Luftfeuchtigkeit zwischen 90 und 100 Prozent und Temperaturen von idealerweise acht Grad. Das ist hier fast optimal gegeben. Wir werden in den kommenden Tagen den Tunnel fluten, so dass die Bodenschicht komplett durchfeuchtet ist. Außerdem hat Holcim oberhalb einen Trichter gebaut, der Regenwasser fängt und in den Tunnel leitet. Eine Drainage sorgt dafür, dass das Wasser nicht zu hoch steigt. Das umgebende Erdreich garantiert Frostfreiheit und verhindert gleichzeitig, dass es zu warm wird“, erläutert er. Nach dem Fluten wird der Tunnel, der nur durch eine Tür zugänglich ist, gesperrt. Für die Fledermäuse bleibt ein rund zehn Zentimeter hoher und 30 Zentimeter breiter Einflugschlitz.

Die Arbeit des Aufhängens der schweren Steine erledigten die Ehrenamtler des Nabu. Vor allem Jörg Tilmanns und Erich Stettner zeigten sich hier sehr engagiert. Welche Fledermausarten nun hier herkommen, darauf sind die Naturschützer selbst gespannt. „In Deutschland leben rund 25 Arten. Im Schlosspark Neersen, wo wir schon ein Projekt haben, kommen derzeit sieben Arten vor. Wenn sich hier fünf ansiedeln würden, wäre ich total happy“, sagt Schotten.

Um zu ermitteln, welche Fledermäuse einziehen und ob es bereits Nutzer des Tunnels gibt, stellte er nun elektronische Spürgeräte auf. „Die nehmen die Sonar-Laute der Tiere auf, und ich kann am Computer auslesen, welche vorhanden sind. Sogar die Zahl kann man einigermaßen abschätzen“, sagt er.

Fledermäuse hielten Winterschlaf, erläutert er. „Im Winter finden sie kein Futter, und das ist die Strategie, Energie zu sparen. Allerdings wird in den vergangenen Jahren vermehrt beobachtet, dass sie an warmen Tagen auch das Quartier wechseln“. sagt er. Das Projekt am Baggersee soll den Tieren so gute Bedingungen bieten, dass sie gern bleiben. Dafür investierte Holcim insgesamt 80 000 bis 90 000 Euro. „Aber faktisch haben wir mehr gespart, denn uns blieb ja der Rückbau des Tunnels, die Entsorgung und Verfüllung erspart“, sagt Tüleyli. So zeigt sich: Cleverer Naturschutz ist sogar wirtschaftlich sinnvoll. Und wenn es einen Preis dazu gibt, bleiben nur Gewinner – zu allererst die oft bedrohten Fledermäuse.