„Panik kann nicht helfen“

Erdbeben, Tsunami und die drohende Atom-Katastrophe lassen auch den Japanern in Willich keine Ruhe.

Willich. Ja — fassungslos. Wer sollte eine solche Naturkatastrophe begreifen? Ja — hilflos. Außer Telefonaten, in denen man sich nach Familienangehörigen, Freunden oder Kollegen erkundigt, kann man nichts tun. Und, ja — Gelassenheit. Wem würde eine Panik nutzen? So könnte man den Dreiklang der Gefühle zusammenfassen, mit der Japaner die Ereignisse in ihrem Land beobachten.

Da ist Yasuo Inadome (Foto), Geschäftsführer des Japan-Clubs Willich und stellvertretender Geschäftsführer der Firma Topcon, die im Stahlwerk Becker ihren Sitz hat. Seine Schwiegereltern leben in Tokio, ein Bruder ebenso, ein weiterer in Osaka. „Natürlich habe ich auch viele Freunde dort.“ Ihnen sei zum Glück nichts geschehen. Bei der Frage, wie es weitergehen soll, kommt offenbar ein japanischer Wesenszug hinzu: „Alle haben Angst vor dem Atom-Gau. Aber was hilft es, wenn wir in Panik verfallen. Das kann die Situation nur verschlechtern“, sagt der 50-Jährige, der in St. Tönis lebt. Das hätten die Japaner im Umgang mit Katastrophen gelernt.

Klar, wie alle sei er bestürzt und entsetzt. „Aber wir sind auf die Atomkraft angewiesen.“ Wichtig sei jetzt zunächst, so viele Menschen wie möglich zu retten und den Betroffenen zu helfen. „Erst danach diskutieren wir über alternative Energien.“

Wie heftig das Beben war, darüber berichtet Hidetoshi Kimura, Präsident des Japan-Clubs Willich und Chef von Fujinon. „Meine Mutter ist 88 Jahre alt und sie sagt, das war das größte Erdbeben, das sie je erlebt hat“, sagt Kimura. Die Mutter und seine Schwester leben in der Nähe von Tokio. Er habe zehn Stunden gebraucht, beide zu erreichen. „Gott sei Dank sind sie nicht verletzt worden.“ Es habe auch kaum Schäden am Haus gegeben, nur einige Risse am Gebäude und ein paar kaputte Scheiben.

Das ganze Wochenende habe er die Entwicklung verfolgt. Dafür war am Montag keine Zeit. „Ich musste über 100 Mails beantworten, in denen Kunden ihr Mitgefühl zum Ausdruck gebracht haben.“ Einen großen Unterschied beobachtet der 62-Jährige: „In Japan macht die Berichterstattung über das Erdbeben und den Tsunami 90 Prozent aus, erst dann kommt die Atom-Katastrophe. Hier ist es umgekehrt.“

Vor Ort hat Kimuras Schwiergersohn Karl Jeide die Situation erlebt. Der Lufthansa-Pilot war am Samstag in Tokio gelandet, seit Montagist er wieder in Deutschland. Es sei schwierig gewesen, in Tokio etwas zu essen zu organisieren. Die Supermärkte seien wie leer gefegt gewesen, Imbiss-Stände hätten wegen der Stromausfälle kaum produzieren können.

Auf der persönlichen Schiene unterwegs war Maria Heyes (Foto), Ehefrau des Willicher Bürgermeisters. „Ich habe mehrere Frauen angerufen, die ich persönlich kenne, und mich nach den Familien und Freunden erkundigt“, sagt sie. Über das Ausmaß der Katastrophe sei sie sehr betroffen. Erstaunt habe sie die Gelassenheit, auf die sie traf. „Vielleicht hat die Disziplin der Menschen mit der Enge zu tun, mit der sie etwa in Tokio leben.“ Natürlich spiele auch die Erfahrung im Umgang mit Erdbeben eine große Rolle. „Aber man merkte schon, dass die Menschen sich gefreut haben, weil ich mich erkundigt habe.“