Pilger haben Tradition: Hundertmal das Vaterunser gebetet
Seit mehr als 200 Jahren pilgern die Vorster nach Orsbeck. Krankheiten und Seuchen waren 1813 der Anlass.
Vorst. Wir schreiben das Jahr 1813. Im niederrheinischen Dorf Vorst grassieren schwere Krankheiten und Seuchen. Und auch das benachbarte Anrath leidet unter den Krankheitswellen. Deshalb legen die katholischen Gemeinden der Dörfer das Gelübde ab, jedes Jahr ins 40 Kilometer entfernte Orsbeck zu pilgern, sobald das Leid ein Ende hat. Und tatsächlich enden die Epidemien.
„Am 14. September 1813 pilgerten die Vorster zum ersten Mal nach Orsbeck, und da haben sie hundertmal das Vaterunser gebetet“, sagt Jakob van Heesch. Der Ur-Vorster hat sich für ein Erzählkaffee der Gemeinde St. Godehard intensiv mit dem Thema beschäftigt.
Orsbeck wurde als Ziel der Wallfahrt ausgewählt, da die Gemeinde eine Kreuzreliquie besitzt. Hein Tönnisen von der Gemeinde Orsbeck erzählt, wie die Reliquie in seine Gemeinde kam: „Unter der Herrschaft Napoleons Anfang des 19. Jahrhunderts wurden Klöster im Rheinland aufgelöst. Alles, was die Klöster besaßen, wurde verkauft, um Frankreichs Krieg gegen Russland zu finanzieren. Der Kreuzsplitter befand sich bis dahin im Kloster Dalheim und wurde im nahegelegenen Orsbeck versteckt.“
Wäre nicht diese Lösung gefunden worden, wäre der Kreuzsplitter vermutlich in die liberalen Niederlande gelangt. In Roermond befindet sich heute noch ein großes Kreuz aus dem ehemaligen Kloster Dahlheim.
In den vergangenen 200 Jahren gab es nur wenige Jahre, in denen keine Vorster nach Orsbeck, das heute ein Stadtteil von Wassenberg ist, pilgerten. Während der Herrschaft der Nationalsozialisten fanden keine Wallfahrten statt, da die Arbeit der Bruderschaften durch das Unrechtsregime erheblich eingeschränkt wurde.
Jakob van Heesch hat 1981 erstmals die Wallfahrt nach Orsbeck vorbereitet. Je nach Route gibt es bis heute zehn bis zwölf Stationen, an denen Meditationen stattfinden. Die Pilger legen die Strecke, die über Viersen, Mackenstein und Waldniel führt, in zwölf Stunden zurück. Früher gehörte es zum guten Ton in Orsbeck, die Vorster im eigenen Heim übernachten zu lassen. Als jedoch weniger Wallfahrer als erwartet kamen, brach Streit darüber aus, wer einen Vorster aufnimmt. „Da hieß es: Dat is minge Pilgerer“, erinnert sich Tönnisen.
Nicht allen Orsbeckern war der Besuch der Vorster so angenehm, sagt von Heesch schmunzelnd: „Ein Vorster hat bei zwei Orsbeckerinnen übernachtet. Die haben nachts die Klinken von den Türen abgenommen, weil ein fremder Mann im Haus war.“ Selbstverständlich organisierte die Gemeinde Orsbeck für ihre Gäste einen Gottesdienst.
Allerdings gab es lange Jahre eine Schwierigkeit: Zeitgleich zur Vorster Wallfahrt im September war in Orsbeck häufig Schützenfest. Daher fanden die Wallfahrtgottesdienste oft am Samstagabend kurz nach der Ankunft oder am Sonntagmorgen zwischen 6 und 7 Uhr statt.
So konnte gewährleistet werden, dass die Schützen ihre Gottesdienste zu angenehmeren Zeiten abhalten konnten.